Ein verführerischer Pakt
einem Spaziergang oder irgendeiner anderen Tätigkeit, für die sie das Zimmer hätte verlassen müssen, war erloschen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte den Kopf an die Lehne. "Geh. Geh einfach."
"Ich soll dich in einer derartigen Verfassung zurücklassen? Das kann ich nicht, Lily. Und ich werde es auch nicht tun."
Sie atmete tief durch. Es war ungerecht, ihn zum Sündenbock zu machen. "Geh nur. Ich verspreche, ich werde etwas von Dr. Ephriams Tonikum zu mir nehmen und anschließend zu schlafen versuchen. Sorg dich also nicht."
"Ein Tonikum?" Er sah sich um und entdeckte die braune Flasche auf dem Tisch neben ihrem Waschkrug. "Laudanum", vermutete er.
"Wahrscheinlich. Ich habe noch nichts davon genommen."
Er nahm die Flasche an sich, öffnete sie und roch daran. Dann verkorkte er sie wieder und steckte sie in seine Jackentasche.
"Was tust du da?"
"Ich will nicht, dass du in denselben fatalen Teufelskreis gerätst wie mein Vater!" fuhr er sie an. Seine Augen funkelten. "Sollte es zu neuerlichen Anfällen kommen, werden wir sie ohne dieses Zeug in den Griff kriegen. Ich halte dich dann einfach in den Armen, bis du dich wieder beruhigt hast." Er klopfte auf seine Tasche. "Opiate sind tückisch, Lily. Ich habe gesehen, was sie anrichten können. Wenn man aus irgendeinem Grund unter unerträglichen Schmerzen leidet, kann ihre Einnahme gerechtfertigt sein, aber ich werde nicht zulassen, dass du sie dir verabreichst, nur um deiner Langeweile zu entkommen!"
"Vielen Dank, Dr. Duquesne", sagte sie und verdrehte die Augen.
"Hol deinen Hut und die Gartenschere!" brauste er auf.
Sie erhob sich aus dem Sessel und ging, die Hände in die Seiten gestemmt, energisch auf ihn zu. "Mein Lieber, du entwickelst dich langsam zu einem echten Tyrannen!"
Da packte er sie bei den Schultern und küsste sie einfach auf den Mund. Lily war so schockiert, dass sie zunächst gar nicht reagierte. Doch es dauerte nicht lange, da spürte sie Erregung in sich aufsteigen. Sein Kuss war fordernd und voller Leidenschaft, und Lily erwiderte ihn sehnsüchtig. Sie liebte Guys Geruch, das Gefühl seiner Lippen auf ihren. Wenn er doch nur … Unvermittelt gab er sie frei und trat einen Schritt zurück. Lily war schwindelig, und sie rang nach Luft.
"Diesen Tyrannen hast du dir schließlich selber ausgesucht, schon vergessen? Jetzt hol endlich deinen Hut, damit wir gehen können!"
Wütend, auch wenn sie gar nicht so genau wusste, warum, marschierte Lily ins Ankleidezimmer und setzte sich einen breitkrempigen Hut auf. "Jetzt wäre genau der richtige Zeitpunkt für einen Anfall. Das geschähe dir recht", murmelte sie vor sich hin. Nur aus Angst, genau das könnte passieren und Guy würde glauben, sie täte das absichtlich, sprach sie die Worte nicht laut aus.
"Du hast ganz schön viel Temperament", bemerkte er, als sie die Treppe hinuntergingen. Sie hätte schwören können, dass er sich amüsierte, obwohl ihm äußerlich nichts anzumerken war. Sie sah ihn sich genauer an. Er gab sich große Mühe, nicht zu lächeln.
Zumindest wusste sie jetzt, dass Zorn nicht der Auslöser für ihre Anwandlungen war. Sie hätte das Guy gegenüber nie zugegeben, aber ihr kleines Geplänkel hatte sie belebt. Ihr ging es jetzt viel besser, abgesehen davon, dass sie den Kuss nicht vergessen konnte. Vor allem ihre Reaktion darauf beunruhigte sie. Guy brachte sie dazu, dass sie sich lüstern und schamlos fühlte. Was hatte das zu bedeuten? Eine vernünftige Frau hätte ihn weggestoßen und für seine grobe Unverschämtheit geohrfeigt. Oder nicht?
Lily fragte sich unwillkürlich, ob Guy auf jede Form von Konfrontation so reagieren würde. Sie fand sich ungeheuerlich, aber sie grübelte bereits darüber, wie sie es wieder darauf anlegen konnte. Vielleicht an diesem Abend …
13. Kapitel
Während sie durch den Garten gingen, sprachen sie nicht viel; jeder von ihnen hing seinen eigenen Gedanken nach. Lily versuchte nach Kräften zu verbergen, wie wichtig ihr seine Meinung über sie war. Trotz seiner gegenteiligen Behauptungen wusste sie, dass er Zweifel an ihrem Geisteszustand hegte. Sie hatte selbst angefangen, eine gewisse Skepsis zu entwickeln. Im Moment schien Guy eher die Frage zu beschäftigen, wie er ihr helfen könnte, als herausfinden zu wollen, ob Clive irgendetwas gegen sie im Schilde führte.
Steckte Dr. Ephriam mit Clive unter einer Decke? Und bestand ihr Motiv tatsächlich darin, Kontrolle über ihren Sohn gewinnen oder ihn gar aus dem
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