Ein verführerischer Schuft
erfuhr so, dass Tony ein Einzelkind war und seine Kindheit vor allem in Devon verbracht hatte, aber auch in London. Er kannte alle Plätze in der Stadt, die Jungen interessierten. Aber als Harry, der verrückt nach allem war, was mit Militär zu tun hatte, wissen wollte, ob er auf dem Kontinent gedient hatte, und er darauf antwortete, ja, das habe er, erwachten jäh ihre Beschützerinstinkte.
Rasch beschleunigte sie ihre Schritte und hatte Matthew eingeholt, der an Tonys Hand ging und voller Bewunderung an den Lippen seines neuen Freundes hing.
»Und, wo waren Sie - bei der Marine oder in der Armee?«
»In der Armee, bei einem Garderegiment.«
»Waren Sie auch in Waterloo dabei?«
»Ja.«
»Haben Sie einen Angriff geführt?«
Hastig schaltete sie sich ein.
»Jungs, ich denke wirklich nicht, dass wir beim Tee über Angriffe und Kämpfe reden müssen.«
Torrington schaute sie flüchtig an, mit einem kurzen, aber durchdringenden Blick, dann wandte er sich wieder ihren Brüdern zu.
»Eure Schwester hat ganz recht - Krieg ist kein Spaß. Es ist schrecklich, beängstigend und furchtbar für alle, die damit zu tun haben.«
Davids Augen wurden groß, Harrys Miene war eine Studie der Enttäuschung.
Alicia gelang es nur knapp, Torrington nicht mit offenem Mund anzustarren.
»Aber …« Harry blinzelte verdutzt. »Ich möchte Major bei einem Garderegiment werden, wenn ich einmal groß bin. Oder bei der Kavallerie.«
»Ich war Major bei beidem, und ich rate dir, diesen Plan noch einmal zu überdenken. Von allem anderen einmal abgesehen gibt es keine Feinde mehr zu bekämpfen. Zu Friedenszeiten in der Kavallerie zu sein ist am Ende kein so aufregendes Leben, wie du jetzt vielleicht denkst.«
Sie erreichten die Eingangsstufen zum Haus, Torrington ließ die Jungen vorangehen, dann wartete er, bis Alicia vor ihn getreten war. Sie stieg rasch die Stufen hoch und öffnete die Tür, dann machte sie einen Schritt zur Seite, sodass die drei Jungen hineinkonnten.
Mit einer eleganten Handbewegung gab Torrington ihr zu verstehen, vor ihm einzutreten, dann folgte er ihr.
»Jetzt aber nach oben und Hände waschen, bitte.« Sie scheuchte ihre Brüder zur Treppe.
»Danach dürft ihr in den Salon kommen.«
Sie grinsten noch kurz Torrington zu, dann liefen sie mit viel Gepolter nach oben. Jenkins schloss die Haustür. Sie drehte sich zu ihm um.
»Könnten Sie bitte den Tee bestellen, Jenkins?«
»Gerne, Madam.«
Jenkins verneigte sich und ging.
Sie wandte sich an Torrington.
»Danke.« Sie sah ihm in die Augen.
»Das zu sagen, war genau das Richtige.«
Er musterte sie einen Moment, dann hob er eine schwarze Braue.
»Es ist nichts als die Wahrheit.«
Aber nur wenige ehemalige Majore eines Garderegiments würden das auch zugeben. Sie neigte den Kopf und führte ihn zum Salon. Der lag auf der Rückseite des Hauses; es war das Zimmer im Haus, das sie und Adriana benutzten, wenn sie mit den Jungen zusammen oder zu zweit waren. En famille , sozusagen. Ein gemütliches Zimmer, in dem die Jungen nicht dauernd aufpassen mussten und übertrieben Rücksicht auf Möbel oder sonstige Kostbarkeiten nehmen. Es war einen Hauch schäbig, aber das störte sie nicht, als sie Torrington hineinführte. Sie hatte ihn schließlich gewarnt, dass es ein informeller Tee mit Kindern sein würde.
Adriana war bereits da; sie saß über die neuesten Modezeichnungen gebeugt. Sie blickte auf, sah Torrington und erhob sich lächelnd.
Nachdem sich Adriana und Torrington begrüßt hatten, nahmen alle Platz. Obwohl der Raum nicht sonderlich klein war, war sich Alicia seiner Nähe bewusst, seiner Stärke. Adriana erkundigte sich, wie es kam, dass er ihnen heute Gesellschaft leistete; er berichtete ihr von dem Spiel im Park. Von Zeit zu Zeit trafen sich dabei seine und Alicias Blicke, und ein insgeheim belustigtes Lächeln spielte dann um seine Lippen. Sie war erleichtert, als die Jungs kamen und laut und fröhlich, aber dennoch wohlerzogen, ins Zimmer platzten. Das Gespräch wandte sich allgemeinen Themen zu.
Jenkins erschien mit einem Tablett; wenn Torrington das als seltsam auffiel, so ließ er es sich nicht anmerken.
Sie schenkte den Tee ein; um bestes Benehmen bemüht boten die Jungen Torrington den Teller mit den Teekuchen zuerst an. Er stieg in ihrer Achtung weiter, als er einen nahm und dick mit Marmelade bestrich, so wie die Jungen es auch mit ihren taten. Bald schon kauten alle zufrieden.
Nachdem er den Teekuchen mit drei Bissen verzehrt
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