Ein verführerischer Schuft
reden.«
Ihr Kinn schob sich stur vor. Sie zog an ihrem rechten Arm, den er fest in der rechten Hand hielt. Sein linker Arm lag noch um ihre Mitte; damit begann er, sie weiterzuschieben. Sie versuchte, sich dagegenzustemmen, aber sie trug Tanzschuhe aus Stoff, die auf dem glatten Boden keinen Halt fanden.
»Wenn wir unbedingt reden müssen, dann geht das auch hier.«
Er hielt nicht inne, schaute sie an und beugte sich näher zu ihr, sodass sein Körper sie wie ein Schutzschild abschirmte.
»Nein, das geht nicht. Es würde Ihnen gar nicht gefallen und mir auch nicht.«
Er ließ ihren Arm los, um die Tür aufzustoßen, und hielt sie mit seinem linken Arm fest, als sie versuchte, einen Schritt nach hinten zu machen. Er schob sie über die Schwelle und folgte dicht hinter ihr, schloss die Tür hinter sich und zwang sie durch schlichte körperliche Überlegenheit, über den Flur dahinter weiterzugehen.
Sie zischte empört, machte zwei Schritte nach vorne und wirbelte dann herum, um ihn finster anzustarren.
»Das hier ist albern! Sie können doch nicht einfach …«
»Nicht hier!« Er nahm sie wieder am Arm, schob sie weiter.
»Bei der Tür zur Linken am Ende dieses Ganges haben wir vermutlich am ehesten Glück.«
Er konnte spüren, wie ihr Zorn wuchs; in ihr brodelte es wie in einem Vulkan, der gleich ausbrechen würde.
»Glück wozu?«, verlangte sie halblaut zu wissen.
Er sah sie an, schwieg aber.
Sie kamen an die infrage kommende Tür; er ließ sie aufschwingen. Dieses Mal trat sie hindurch, ohne von ihm dazu genötigt zu werden, segelte in das Zimmer. Er war dicht hinter ihr und drückte die Tür ins Schloss, konnte zum ersten Mal ihre Aufmachung sehen. Ihr Kleid war geschickt geschnitten und aus schimmernder Seide in Bronze- und Herbsttönen, die ihr ganz ausgezeichnet standen.
Sie drehte sich zu ihm um, sah ihn an, die Seide spannte sich über ihrem Busen, als sie tief Luft holte …
Er hörte ein Klicken, als die Tür zum Foyer im Saal geöffnet wurde, die Geräusche des Balles wogten herein, brachen jäh wieder ab, als die Tür wieder ins Schloss fiel. Weibliches Kichern, das rasch erstickt wurde.
Mit einer Hand griff er hinter sich und schob den Riegel vor.
Zu weit vom Ausgang entfernt, um die Gefahr zu ahnen, öffnete Alicia mit wütend funkelnden Augen den Mund, um die Breitseite abzufeuern, die er zweifelsfrei verdiente.
Er trat zu ihr, riss sie in seine Arme und brachte sie zum Schweigen - rettete sie beide vor der drohenden Entdeckung - auf die einzig mögliche Weise.
5
Er küsste sie.
Ihr Mund war offen, ihre Lippen waren geteilt; er glitt mit seiner Zunge zwischen sie, liebkoste, forderte - und spürte ihre Aufmerksamkeit zersplittern. Ihre Hände umfassten seine Oberarme; sie verspannten sich, aber sie schob ihn nicht von sich. Sie klammerte sich vielmehr an ihn.
Ein Wirbel aus Verlangen erfasste sie, schloss sie ein.
Er hatte das so nicht gewollt, hatte nicht geahnt, wie sehr er sie begehrte, wie groß sein Hunger nach ihr war oder wie bereitwillig er sich der Verlockung, die sie für ihn war, ergeben würde. Mit beiden Händen hielt er ihr Gesicht, legte den Kopf schief und kostete sie ausgiebig und ohne sich einen Zwang aufzuerlegen. Er fragte nicht um Erlaubnis, kannte kein Pardon und stürzte sie beide ins Feuer. Sie war eine Witwe, keine scheue Jungfrau; er musste ihr nichts erklären.
Und die Natur seines Verlangens auch nicht. Seine Zunge umspielte ihre, plünderte ihren Mund gnadenlos, er ließ ihr Gesicht los und zog sie an sich. In seine Arme, an seinen harten Körper. Er genoss ihre weichen Formen, die Linderung seiner Qualen versprachen, und presste sie an sich, rieb seine Hüften an ihren. Er fühlte, wie ihr Rückgrat seine Steifheit verlor, als sie sich gegen ihn sinken ließ.
Als ihre Knochen zu schmelzen schienen und ihre Knie sie nicht länger aufrecht hielten.
Alicia rang darum, nicht restlos den Verstand zu verlieren, aber wieder und wieder entglitt er ihr. Ihr Atem war lange schon verbraucht; ihre Münder waren miteinander verschmolzen, sodass sie nur durch ihn atmen konnte - und sie hatte den Kampf aufgegeben, es auf andere Weise zu tun.
In ihrem Kopf drehte sich alles - aber auf angenehme Art. Wärme wallte in ihr auf, breitete sich durch ihre Adern in ihr aus. Berauschend. Schockierend. Sie versuchte, sich an ihren Zorn zu klammern, ihre Wut neu anzufachen, aber es gelang ihr nicht.
Es war allerdings auch fast ohne Vorwarnung geschehen - sie hatte zwar
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