Ein verführerischer Schuft
Familie.«
Alicia lächelte freundlich. Sie hörte Lady Hertfords Geplauder nur mit halbem Ohr zu, nickte hie und da, wie es ihr passend erschien. Schließlich ging Ihre Ladyschaft und ließ Miss Tiverton und Adriana unter Alicias wachsamen Augen zurück.
Sie behielt ihre Schwester und den Kreis um sie im Blick, die ein paar Meter entfernt standen, aber sobald die Ablenkung durch Lady Hertford nicht mehr gegeben war, wandten sich Alicias Gedanken dem zu, was sie am meisten beschäftigte.
Anthony Blake, Viscount Torrington.
Ihre Reaktion auf seine erfahrenen Verführungsversuche erstaunte sie; sie hatte immer angenommen, sie wäre nicht interessiert an so etwas, dass es ihr immer ein Leichtes sein würde, die Avancen eines jeden Gentlemans abzuweisen, besonders die eines Adeligen, der so viel von einem Raubtier an sich hatte. Eine natürliche Reaktion, über die sie gar nicht lange würde nachdenken müssen - und um die sie keinesfalls mit sich ringen musste.
Es war eine Schlacht, die sie nicht gewinnen konnte; sie hatte schon viel wichtigen Boden verloren. Warum genau, das verstand sie selbst nicht.
Wenn sie mit ihm zusammen war, in seinen Armen oder einfach mit ihm allein in einem Raum, dann verschob die Welt sich, der Rahmen, an dem sie sich ausrichtete, wie sie ihr Leben bis jetzt lebte. Ihr Leben war drauf und dran, sich auf ihn zu fokussieren, darauf, ihm genehm zu sein - sich um die Wünsche zu drehen, die er in ihr zu wecken vermochte, von denen sie nie geahnt hätte, dass sie sie hegen könnte.
Bei ihm verlagerte sich ihre Aufmerksamkeit auf eine andere Ebene, die alles umspannte, was zwischen ihnen entstand. Dieser Vorgang war neu und beunruhigend, aber auch faszinierend, ja, beinahe berauschend.
Etwas in ihr sprach auf etwas in ihm an; aus dem Verschmelzen dieser beiden »Etwas« entwickelte sich die Kraft, die sie spürte, die Kraft, die stark genug war, ihren Verstand auszuschalten, ihre Sinne zu fesseln … und sie zu verführen.
Sie erschauerte und zwang sich, wieder auf Adriana zu achten; sie sah, wie sich Sir Freddie erfolgreich ihre Hand für einen Walzer sicherte. Ihr entging auch nicht Geoffrey Manninghams bemüht gleichgültige Miene, und sie musste lächeln.
Harte Finger schlossen sich um ihre Hand.
Sie fuhr herum, während Tony - Torrington! - sie an seine Lippen zog. Und leise lächelte.
»Komm und tanz mit mir.«
Schon wenige Sekunden später wurde sie geschickt über die Tanzfläche gewirbelt. Sie machte sich nicht die Mühe, sich dagegen zu sträuben. Stattdessen begann sie sich in Gedanken mit ihrem dringendsten Bedürfnis zu beschäftigen - zu verstehen versuchen, was vor sich ging.
Er schien es zufrieden zu sein, einfach nur mit ihr zu tanzen, sie in seinen Armen zu halten, sich mit ihr durch den Ballsaal zu bewegen und sie dabei anzusehen.
Sie mit den Augen zu verschlingen.
Sie senkte die Lider, wandte ihren Blick ab, um ihm über die Schulter zu schauen. Behutsam zog er sie näher, als sie die Wendefiguren des Tanzes ausführten, lockerte seinen Griff danach aber nicht wieder. Mit einem Mal war sie sich seines Körpers bewusst, dem leichten Streifen ihrer Hüften, sein Schenkel an ihren Beinen, als sie sich drehten … als ob er sie genommen und in eine unverhohlen intime Umarmung gezogen hätte. Eine Erinnerung wurde in ihr wach, weckte ihre schamlosen Sinne.
Sogleich erwachte auch ihr Hunger.
Sie schaute hoch; ihre Blicke trafen sich.
»Das hier ist Wahnsinn.«
Die Worte waren leise, atemlos. Er lächelte, aber seine Augen blieben eindringlich auf ihre gerichtet.
»Es scheint, als wären wir beide infiziert.«
Unwiderruflich . Sie holte Luft, las in seinen Augen; ihr Ausdruck war unverhohlen räuberisch - seine Absicht konnte nicht klarer sein. Die Erkenntnis, so unausweichlich wie der Morgen, breitete sich in ihr aus.
Tief in ihr erbebte etwas.
Tony wandte den Blick ab, wünschte sich, sie hätte ihr Mienenspiel besser unter Kontrolle, sodass man ihre Gedanken nicht so leicht erraten konnte. Ein langer Blick in ihre Augen, und sein Verlangen entflammte. Wenn Cranbourne House irgendein passendes Zimmer besäße, hätte er sie ohne viel Federlesens dorthin gebracht, um dort die zwischen ihnen wachsende Verbindung näher zu erforschen. Unseligerweise war Cranbourne House verhältnismäßig klein und eng, sodass dieses Vorgehen ausgeschlossen blieb. Außerdem war ja auch ihre Schwester anwesend, was hieß, dass sie abgelenkt war. Wenn er sie schließlich in einem
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