Ein verfuehrerischer Tanz
Lächeln aus, und Amelia hatte mit einem Mal Schmetterlinge im Bauch.
Irgendetwas war anders seit vorhin im Garten. Er hatte sich geöffnet und ihr gegenüber seine Schwäche eingestanden – das erste Mal seit ihrem Gespräch im Stall. Während Spencer der Öffentlichkeit bewusst ein falsches Bild von sich offenbarte, hatte er ihr Einblicke in seine Seele gewährt. Und wenn sie wie jetzt zusammen waren, war es, als tauschten sie sich stumm aus – hier ein Scherz, dort eine Beobachtung, bisweilen sogar einen lustvollen Blick. Sie verhielten sich wie ein Paar und nicht wie zwei Menschen, die zufällig verheiratet waren.
Angesichts seiner plötzlichen Offenheit schöpfte Amelia wieder Hoffnung. Er brachte ein großes Opfer, indem er sie auf dieses Fest begleitete. Und obwohl ihr Herz in ernsthafter Gefahr war, wollte sie sich nicht wieder in ihrem Schneckenhaus verkriechen. Sie hoffte, dass er seine Meinung änderte. In Briarbank merkte er bestimmt, wie viel ihr Heimat und Familie bedeuteten – dieses behütete Leben hatte sie zu der Person gemacht, die sie heute war, genau wie seine Vergangenheit ihn prägte. Vielleicht begriff er dann, wie sehr es sie schmerzte, dass er einen Keil zwischen sie und Jack getrieben hatte.
Spencer musterte Amelia und runzelte unversehens die Stirn.
Plötzlich verunsichert fragte sie:
»Ist etwas nicht in Ordnung?«
»Nein, nein.« Trotzdem starrte er sie weiter an, während sich seine Falte zwischen seinen Brauen vertiefte.
»Wie gefällt dir mein Kleid?« Sie drehte sich vor ihm, in der Hoffnung, dass er wenigstens ihre Abendrobe lobte und ihr ein bisschen Selbstvertrauen zurückgab.
»Gut«, antwortete er. »Aber Blautöne stehen dir immer gut.«
Tja, mehr war von ihm wohl nicht zu erwarten.
Sie warf einen letzten kritischen Blick in den Spiegel, ehe sie Spencer zur Tür folgte. Bevor sie das Zimmer verließen, rückte Amelia mit behandschuhten Fingern die Aufschläge seines Dinnerjackets zurecht.
Ihre Blicke begegneten sich, und sie ließ ihre Hände auf seiner Brust ruhen. Es wäre der perfekte Moment für einen Kuss gewesen … hätte er sie küssen wollen. Vorhin im Garten hatte er sie so zärtlich umarmt. Aber vielleicht war das bloß wieder einer seiner strategischen Schachzüge gewesen, in seinem lebenslangen Bemühen um Ausweich- und Verschleierungstaktiken.
Nachdem er ihr tief in die Augen geschaut hatte, öffnete er die Tür.
»Wollen wir?«
Anders als in London war die Ballgesellschaft überschaubarer, der Bankettsaal des Herrensitzes indes um einiges größer.
Trotzdem spürte Amelia, wie sich der Arm ihres Mannes verkrampfte, als sie den schlichten Saal der Granthams betraten. Sie unterdrückte den Impuls, ihm Mut zuzusprechen oder seine Hand zu tätscheln, denn damit hätte sie ihn nur verärgert. Zumal er nicht bedauert werden wollte.
Natürlich standen sie sofort im Mittelpunkt des Interesses. Zum Glück war Amelia am Nachmittag der eine oder andere Gast namentlich vorgestellt worden. Sie machte Spencer mit ein paar Leuten bekannt, und nachdem er ihre Begrüßung wie üblich schroff erwidert hatte, überließ er ihr den Teil der höflichen Konversation. Sie schlenderten durch den Saal, von einer kleinen Gruppe zur nächsten. Spencer grüßte mit einem kurzen Nicken, und Amelia übernahm alles Weitere. Sie erkundigte sich nach der Gesundheit von entfernten Angehörigen, fand tröstende Worte für Leos Bekannte und Freunde, beantwortete dämliche Fragen zu ihrer Blitzhochzeit und quittierte gut gemeinte Glückwünsche mit einem anmutigen Lächeln. Indem sie sich in den Vordergrund spielte, ersparte sie Spencer neugierige Fragen.
Als der Abend fortschritt, fühlte Amelia sich zunehmend in ihrem Element. Es war ihr erster gemeinsamer öffentlicher Auftritt, und als Gemahlin des Herzogs von Morland hatte sie die Aufmerksamkeit der anderen für sich gepachtet. Trotz seiner angespannten Miene hatte Spencer weder den Knopf an seinem Jackett berührt noch versucht, sie wie einen Sack Kartoffeln aus dem Saal zu schleppen. Der Abend wurde zu einem vollen Erfolg, und Amelia lachte und scherzte und plauderte nach Herzenslust.
Sie amüsierte sich fabelhaft.
Als sie kurz aufblickte und mitbekam, dass Mr. Twither, ein alter Freund ihres Vaters, Spencer gnadenlos über Pferdezucht löcherte, trat Amelia zu dem alten Gentleman. Sie machte ihm Komplimente, dass er fantastisch gut zu Fuß sei und blendend aussehe für sein Alter, und lotste Spencer diskret aus der
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