Ein verfuehrerischer Tanz
Hals und schluckte. Seine Geduld war erschöpft, und er fühlte sich abgrundtief schäbig. Eins war jedenfalls sicher – wenn er Amelia das nächste Mal in seinen Armen hielt …
Dann würde er sie nicht gehen lassen.
12
I n dem Sommer, als sie zwölf Jahre alt war, hatte Amelia den folgenschweren Fehler gemacht aufzuschreien, als sie eine hässliche Kröte erblickte. Das hatten ihre Brüder mitbekommen. Danach verbrachten die Lausebengel viel Zeit damit, ihre Schwester zu erschrecken. Sie versteckten die Kröten in Schränken, in ihrem Handarbeitskorb, unter ihrem Kopfkissen … Die sieben biblischen Plagen waren vermutlich nicht halb so schlimm wie die Krötenplage in jenem Sommer. Amelia ekelte sich vor den glupschäugigen Viechern, die in ihrem leeren Nachttopf lauerten, mochte sie aber auch nicht aus dem Fenster werfen. Weil sie tierlieb war, fing sie das schleimige Etwas und trug es mitten in der Nacht wieder nach draußen in den Garten. Sie konnte kein Tier töten, sondern kümmerte sich rührend, besonders um die scheußlichen, ungeliebten Kreaturen.
Es war abwegig und irrational – aber je deutlicher wurde, wie schwer es Spencer fiel, seine Sensibilität zu zeigen, umso mehr gewann er ihre Sympathie. Je schlimmer er sich aufführte, desto größer wurde Amelias Wunsch, ihm zu helfen. Und je länger er sie zappeln ließ, umso mehr sehnte sie sich nach seiner Nähe.
Als sie am nächsten Morgen allein in ihrem Bett aufwachte, betrachtete sie nachdenklich das kunstvolle Deckenfresko. Wenn sie aufrichtig zu sich selbst war, hatte sie sich gegen den Vollzug der Hochzeitsnacht gesträubt, weil sie ihr Herz und ihre Gefühle schützen wollte. Nach letzter Nacht wusste sie jedoch, dass es ein hoffnungsloses Unterfangen war. Seine Umarmung hatte sie tief aufgewühlt. Gewiss, Spencer hatte ihre tröstliche Umarmung genutzt, um ihr näherzukommen. Sein lustvoller Angriff auf ihre Sinne war über bloße Zärtlichkeit hinausgegangen. Aber jedes Mal, wenn er sie mit fordernden Küssen und kosenden Händen erregte, weckte er ein Verlangen in Amelia, das sich in ihrem Schoß entfachte und sich in ihrem gesamten Körper ausbreitete. Dieses Verlangen verzehrte sie. Je länger sie ihm ihren Körper versagte, umso stärker war ihr Herz in Gefahr.
Herrje, so konnte es nicht weitergehen. Sie beschloss, zu ihm zu gehen.
Ein Laken um die Schultern gewickelt, setzte sie sich auf den Bettrand und schlüpfte in ihre Pantoffeln.
Sie nahm sich fest vor, ihre Sehnsucht nach Romantik zu ignorieren. Und selbst wenn das nicht klappte – was war das Schlimmste, das ihr passieren konnte? Sie würde ein paar Monate Zuneigung investieren, die er nicht erwiderte, na und? Es gab größere Katastrophen. Über kurz oder lang würde ein Baby die emotionale Lücke füllen. Und je eher sie mit Spencer schlief, umso schneller war sie schwanger.
Sie tappte leise über den Teppich. Nachdem ihre Entscheidung feststand, mochte sie nicht länger warten. Nächtliche Eskapaden schienen ihr ohnehin zu persönlich, zu intim. Ein Akt bei hellem Tageslicht war bestimmt nicht romantisch. Sie machte sich nicht einmal die Mühe, sich die Haare zu bürsten.
Energisch drückte sie die Verbindungstür zu Spencers Zimmer auf.
Er war nicht da.
Zwei Frauen machten gerade eilig das Bett und fuhren erschrocken zusammen. Sie schauten Amelia mit großen Augen an.
»Guten Morgen, Hoheit«, sagten die Mädchen und knicksten, bevor sie sich wieder ihrer Arbeit zuwandten.
Amelia richtete sich auf und räusperte sich.
»Ist mein Mann …?«
»Oh, er ist nicht hier, Ma’am. Er musste heute Morgen schon früh weg. Wegen dringender Geschäfte, meinte Mr. Fletcher«, sagte die jüngere der beiden.
Frisch gestärktes Leinen knisterte. Die ältere Angestellte warf der jüngeren einen strengen Blick zu, das junge Hausmädchen plapperte unterdessen munter weiter. »Soweit ich heute früh gehört habe, wird der Herzog erst sehr spät zurückerwartet.«
»Ja, ich bin im Bilde«, sagte Amelia bestimmt, obwohl sie keine Ahnung hatte. Sie würde Mrs. Bodkin auf den Klatsch und Tratsch unter den Dienstboten ansprechen und herausfinden, warum dieser Mr. Fletcher schon in aller Herrgottsfrühe mit jungen Zimmermädchen plauderte. »Mmh, ich wollte nur sagen, dass die Leinentücher für das Bett meines Mannes nicht gestärkt werden dürfen. Nehmt sie runter und holt neue.«
So würdevoll wie es angesichts des Lakens möglich war, ging sie zurück in ihr Zimmer. Wenigstens
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