Ein verfuehrerischer Tanz
bröckeln. Er besann sich darauf, was sie im Flur gesagt hatte: »Du hast keine Ahnung, was ich dir alles bieten kann.« Oh doch, das wusste er. Eher hätte er sich die Zunge abgebissen, als es einzuräumen, aber tief in seiner Seele spürte er, warum er sie damals nicht hatte gehen lassen. Warum er sie förmlich aus dem Ballsaal entführt und ihr einen Antrag gemacht hatte. Weil Amelia loyal war und für einen nichtsnutzigen Halunken wie ihren Bruder kämpfte. Bestimmt hatte sie irgendwo in ihrem Herzen noch ein Plätzchen für Spencer frei. Er verdiente es zwar nicht, gleichwohl war er regelrecht eifersüchtig auf die Zuneigung, die sie ihren Brüdern schenkte.
»Amelia, schau mich an.«
Die Hände weiter um seinen Nacken geschlungen, hob sie den Kopf. In seine Umarmung geschmiegt, hielt sie den Atem an.
Er küsste sie. Ohne Vorwarnung. Ohne nachzudenken, aber er konnte nicht anders. Er brauchte Amelia wie die Luft zum Atmen. Sie gehörte zu ihm.
Ihre Lippen waren warm und weich, ihre Zunge feucht und glatt an seiner. Er legte die Hände um ihr Gesicht und vertiefte den Kuss. Sie erbebte auf seinem Schoß, und er hielt sie fest, ganz fest. Er wollte mehr. Immer mehr. Seine Zunge drängte tiefer, seine Zähne stießen an ihre. Er musste Amelia schmecken, ihre Süße, ihre Glut, selbst wenn er sich alles verbaute, weil er sie damit verschreckte, aber er konnte nicht aufhören.
Er umfasste ihre Brust und drückte sie hart, weil er sie unterbewusst bestrafen wollte. In seinem Inneren zerbrach etwas, gleichsam als löse sich eine Lawine von einem Gletscher. Die Leere in seinem Herzen füllte sich; eine unbeschreiblich starke Woge des Begehrens überwältigte ihn. Es tat weh. Tief verborgene, längst verdrängte Emotionen drangen an die Oberfläche, und diese Frau war schuld daran. Er knetete fester, kniff in Amelias harte Brustwarze, damit auch sie Schmerzen empfand. Es war unverzeihlich und so unfair. Irgendwie hatte sie es geschafft, in ihn zu dringen, bevor er in sie eindringen konnte.
Ihr gedämpfter Aufschrei an seinen Lippen riss ihn aus seiner Trance. Er erstarrte.
»Die zehn Minuten sind vorbei«, keuchte sie. »Du musst mich loslassen.«
»Geht nicht.«
Sie trommelte mit ihren kleinen Fäusten auf seine Brust und unterdrückte ein Schluchzen.
»Wenn ich dich loslasse, kommst du dann heute Nacht zu mir?«
Er spürte ihr Kopfschütteln.
»Nein.«
»Erzähl mir jetzt nicht, dass du immer noch Angst hast.«
»Ich habe noch mehr Angst als vorher.«
Er schluckte ein frustriertes Stöhnen hinunter. Verdammt, hatte er ihr nicht gezeigt, wie gut er sich kontrollieren konnte? Mal abgesehen von dem kleinen Ausrutscher gerade. Warum lag sie in seinen Armen, wenn sie ihn für fähig hielt, einen Mord zu begehen?
Leise fluchend ließ er sie los. Sie wich seinem Blick aus, ihre gesenkten Lider mit den dichten langen Wimpern flatterten nervös.
»Geh.« Er schloss die Augen, um Fassung bemüht. Die Armlehnen so fest umklammernd, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten, keuchte er: »Los, verschwinde. Verdammt noch mal, geh von meinem Schoß runter, sonst vergess ich mich.«
Hastig gehorchte sie, stützte sich auf seinen Schenkeln ab und stand auf. Langsam ließ er den Kopf in die Hände sinken. Er atmete schwer, und es rauschte in seinen Ohren.
»Gute Nacht, Spencer«, sagte sie leise.
Er hörte, wie die Tür sich schloss, blickte aber nicht auf. Es gab drei Türen, die aus seinem Schlafzimmer führten. Und er verspürte nicht übel Lust, sie allesamt einzutreten, um zu Amelia zu gelangen.
Er brauchte eine Weile, um seine Erregung zu kanalisieren. Dann sah er auf. Er rieb sich über das Gesicht, spähte zu dem Tisch, auf dem die aufgedeckten Karten lagen. Er konnte es drehen und wenden, wie er wollte, es ergab keinen Sinn. Nachdem er das Ass ausgespielt hatte, hätte Amelia eine echte Gewinnchance gehabt. Trotzdem hatte sie es versäumt, genug Punkte zu sammeln, und die Karten strategisch ungeschickt ausgespielt. Er blätterte Amelias Kartenstapel durch.
Ein Bube zwinkerte ihm zu, und darunter lagen zwei Könige.
Nein, Amelia wäre niemals so dumm gewesen, diese beiden Karten auszuspielen. Für ihr Verhalten gab es nur eine Erklärung. Sie hatte nicht gewinnen wollen. Das ganze Gerede von wegen Fest und mit Claudia Freundschaft schließen – eigentlich hatte sie bloß eins gewollt: eine tröstliche Umarmung. Von ihm. Und er hatte sie wieder einmal in die Flucht gejagt.
Er spürte einen Kloß im
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