Ein verfuehrerischer Tanz
wir nicht auf Kunstwerken. Wir hängen sie an die Wände und bewundern sie.«
Ihr fehlten die Worte. Ein Danke brachte sie nicht über die Lippen, weil sie sich unsicher war, ob seine Worte als Kompliment gemeint waren. Offen gestanden wusste sie überhaupt nicht mehr, was sie denken sollte.
Er drehte sie zu sich um, dass Amelia ihn anschauen musste. »Du definierst dich immer über andere. Du bist Jacks Schwester, Claudias Fürsprecherin, die Hausherrin. Du fährst mich an, dass ich dich schlechter behandle als meine Pferde oder meinen Besitz. Dass ich deine Menüs nicht wertschätze oder die Musikabende, die du gern veranstalten möchtest.« Er zeigte mit einer fahrigen Handbewegung auf die gerahmte Stickerei. »Seit wir uns kennen, hast du mich abgewiesen, mich provoziert und mehr Respekt von mir gefordert. Und seit unserer Ankunft in Braxton Hall tust du so, als ob … Als wärst du gern so was wie ein Fußabtreter, und du streitest mit mir, weil ich das nicht will.«
Sie machte sich los.
»Du hast kein Recht …«
»Oh doch, Amelia.« Er nahm ihr die Kerze aus der Hand und stellte sie auf den Kaminsims. »Ich bin der Herr im Haus und dein Ehemann, und ich kann mir sämtliche Rechte herausnehmen, auch die, die ich bislang noch nicht eingefordert habe.«
Amelia erschauerte.
Sein hungriger, leidenschaftlicher Blick fing ihren auf. »Hinter deinen schönen blauen Augen geht eine Menge vor, aber zwischen deinen bezaubernden kleinen Ohren und deinem wachen Verstand muss eine sehr schlechte Verbindung bestehen. Wenn ich dich Amelia nenne, steht für dich ›bloß‹ davor. Glaub mir, ich hätte schon vor Jahren heiraten können, wenn es mir ›bloß um eine Frau‹ gegangen wäre.«
Hatte sie noch Knie? Wenn ja, spürte sie sie nicht mehr.
Konnte sie ihm das abnehmen? Dass sie schöne Augen und bezaubernde Ohren und einen wachen Verstand hatte? Bezaubernd. Sie? Er, ein reicher, attraktiver Herzog, hatte nie geheiratet, bis er sie kennenlernte – eine verarmte, anstrengende Jungfer hatte es geschafft, dass er seine Meinung änderte?
Seine Worte lösten bei Amelia Bestürzung aus. Sie erschütterten ihr Selbstbild und alles, was sie über Spencer wusste.
Was offen gestanden so viel wie nichts war.
»Du überheblicher Arroganzbolzen«, fuhr sie ihn an und bohrte ihren Zeigefinger in seine Brust. Es war eine kindische Geste, aber sie konnte nicht anders. Sie wollte ihn anfassen. »Was bildest du dir ein? Du analysierst meinen Charakter, dabei weißt du nicht einmal ansatzweise, was in meinem Kopf vorgeht! Halt dich an deine Pferde, die magst du sowieso mehr als mich!«
Das hatte gesessen.
»Was erlaubst du dir, über mich urteilen zu wollen?!« Sie trommelte mit ihren kleinen Fäusten auf Spencers Brust. Fühlte seinen schnellen Herzschlag. »Du willst mich nur schlechtmachen, weil ich Familie, Freundschaft und Gastfreundschaft wertschätze und dich dergleichen kaltlässt. Du kritisierst mich, wenn ich mich auf Braxton Hall nützlich machen will. Du hast mich doch bloß hierhergebracht, damit du endlich deinen verdammten Erben bekommst. Nur deswegen hast du mich geheiratet und bist scharf auf den Vollzug der Ehe.«
»Abwarten und Tee trinken, vielleicht siehst du es anders, wenn wir die Sache hinter uns gebracht haben.« Seine Hand schoss vor und umschloss ihr Kinn.
»Weißt du, wie ich den Tag verbracht habe, Amelia?«
Sie schaute ihn fragend an.
»Mit Dirnen.«
»Mit …?« Ihr versagte die Stimme. Das wurde ja immer schöner.
»Ja, mit Dirnen. Ich bin vor Sonnenaufgang aufgestanden und den ganzen weiten Weg bis London geritten. Drei Mal habe ich meine erschöpften Pferde wechseln müssen. Den ganzen Nachmittag habe ich sämtliche einschlägigen Etablissements in Whitechapel nach der Prostituierten durchkämmt, die Leos Leichnam gefunden hat. Ich war in den schlimmsten Bordellen, habe mit zig Dirnen gesprochen. Glaub mir, für einen Shilling hätte jede von denen die Röcke gehoben und die Beine breit gemacht. Aber ich wollte keine davon. Weil ich den ganzen verfluchten Tag nur an dich gedacht habe.«
Eindringlich schaute er sie an. »Ich habe an dich gedacht, als ich zurückritt, und deswegen die Pferde in Cambridge nicht ausgetauscht, wie ich es eigentlich hätte tun müssen. Stattdessen habe ich mein Pferd viel zu hart geritten, und deshalb hatte sich die Stute ein paar Streicheleinheiten und ein bisschen Zuwendung verdient. Ich quäle meine Pferde nicht, aber heute war ich sträflich nah dran.
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