Ein verfuehrerischer Tanz
Guineen«, sagte sie nachdenklich und stützte sich auf einem Holzpfosten ab. »Für ein Fohlen … Hmm, dann bringt dieses Gestüt bestimmt eine Menge ein.«
»Immerhin so viel, dass ich den Bewohnern in den letzten sechs Jahren die Pacht nicht erhöhen musste. Ich kann also nicht klagen.« Aus Spencers Stimme sprach Stolz. Sein Onkel war nicht einverstanden gewesen, als Spencer das Gestüt erweitert hatte. Der verstorbene Herzog hielt es für Verschwendung, große Weiden anzulegen, statt die Felder als gutes Ackerland zu verpachten. Spencer hatte indes hartnäckig an seiner Entscheidung festgehalten, und das zahlte sich letztlich aus. »Einige von den Dorfbewohnern arbeiten für mich, und ich kaufe ein paar Bauern Hafer und Heu ab. Das lohnt sich allerdings nur, weil wir landesweit die besten Rennpferde züchten. Sie geben es bei ihren Jockeyclubtreffen zwar nicht offen zu, aber Englands reichste Pferdeliebhaber bringen ihre Stuten nur zu uns.«
»Aber du selbst bist kein Mitglied im Jockeyclub? Du nimmst selbst nicht an Rennen teil?«
»Nein.«
»Warum nicht? Newmarket ist bloß einen Steinwurf von hier entfernt.«
Er zuckte mit den Schultern.
»Keine Lust. Ich bin nicht gern bei solchen Rennen.« Als sie ihn fragend anschaute, fügte er eilig hinzu: »Ruhm interessiert mich nicht.«
»Und du bist auf das Geld nicht angewiesen. Weshalb bist du dann Züchter?«
»Weil ich gut bin. Und weil es mir Spaß macht.«
Nachdenklich stützte sie ihr Kinn auf die Hand.
»Verstehe.«
»Das hoffe ich doch.«
Während sie die Fohlen beobachteten, wurde ihm warm ums Herz. Er hatte es gleich gespürt, dass sie ihn verstehen würde, in dem Augenblick, als sie ihm das aufwändig gestickte Taschentuch in die Hand gedrückt hatte. Die tiefe Zufriedenheit, die Menschen erfüllte, wenn sie etwas außergewöhnlich gut konnten, egal, ob sie dafür gelobt wurden oder nicht. Und er begriff, warum sie so gerne Menüs zusammenstellte, Gäste bewirtete und sich um alles kümmerte. Weil sie das gut konnte, es machte ihr Spaß, füllte sie aus.
»Und Osiris?«, fragte sie. »Du bist wild entschlossen, diesen Hengst zu besitzen – oder zumindest die Zahl der Clubmitglieder zu reduzieren, die Deckrechte an ihm haben. Damit willst du wohl die herausragende Stellung deines Gestüts schützen, oder? Wenn er für viele verfügbar ist, könnte die Nachfrage nach deinen Deckhengsten abnehmen.«
Er schätzte ihren schnellen Verstand. Sie hatte das Metier instinktiv begriffen. Spencer kaufte öfter ältere Rennpferde, nicht um sie zur Zucht einzusetzen, sondern um seinen eigenen Bestand nicht zu gefährden. Sie bekamen einen schönen Lebensabend auf seinen satten Weiden, und das zahlte sich letztlich auch für die Pferde aus.
»Genau«, antwortete er, »eine Kontrolle über die Deckrechte bei Osiris zu haben ist einer der Vorteile.«
»Aber das ist nicht das wahre Motiv, weshalb du ihn unbedingt haben musst. Dieser Vorteil kann dir unmöglich zehntausende Pfund wert sein.«
Unvermittelt merkte er, dass ihm diese Unterhaltung entschieden zu weit ging und er sich auf dünnem Eis bewegte. Er stand kurz davor, lang gehütete Geheimnisse auszuplaudern. Sein Körper versteifte sich, als stecke er in einer Rüstung.
»Wie kommst du plötzlich auf Osiris? Ich dachte, du willst Reitstunden nehmen?«
»Mhm, tja, ich bin nicht wirklich wegen der Pferde hier. Ich will dich besser kennenlernen, Spencer. Um dich zu verstehen.«
Sie legte ihre Hand neben seine auf den Gatterpfosten. Ihr kleiner Finger berührte seinen, und durch die Wärme ihrer Berührung schwand sein Widerstand. Sein schlechtes Gewissen gab ihm den Rest.
Lange vor dem Tod seines Onkels hatte er sich eines geschworen. Ja, er wollte den Titel annehmen und seine Pflichten erfüllen, aber nur zu seinen Bedingungen. Zum Teufel, was die Leute sagten oder dachten. Er brauchte sich vor niemandem zu rechtfertigen. Doch er wollte fair bleiben. In ihrer Hochzeitsnacht hatte er Amelias Körper, ihre Loyalität, ihr Vertrauen eingefordert. Dafür durfte sie ihm ein paar Fragen stellen. Und nachdem sie sich ihm freizügig geschenkt hatte, konnte er sie nicht länger im Unklaren lassen.
»Also gut.« Er bot ihr seinen Arm. »Ich kann dir das im Haus besser erklären.« Er führte sie zurück in den Pferdestall und den Gang hinunter. Sie verkrampfte sich, als sie sich Junos Box näherten. Wahrscheinlich weil sie sich daran erinnerte, wie er sie letzte Nacht abgekanzelt hatte.
»Es tut mir
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