Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Titel: Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y.S. Lee
Vom Netzwerk:
Obwohl es für ’ne Dame ungewöhnlich ist, dass sie Knoten machen kann und so.«
    »Kann man wohl sagen.«
    Er dachte noch etwas nach. Das Schweigen wurde nur davon unterbrochen, dass Quigley ein Gähnen zu unterdrücken versuchte.
    »Ich halte dich unnötig auf«, sagte James abrupt. »Geh mal lieber heim zum Schlafen.«
    »Soll ich die Dame heute Nacht beobachten, Sir?« Es war ein tapferes Angebot: Er schielte schon fast vor Müdigkeit.
    »Nein, ich gehe selbst.« James verstummte. Der Junge war erst zehn. »Hast du es weit nach Hause?«
    »Nein, Sir. Ich wohn hier in der Nähe bei meiner Mutter, in der Church Street.«
    »Gut. Dann sehen wir uns morgen.«
    Während sich Quigley davonmachte, meldete sich James’ Gewissen noch einmal.
    »Quigley!«
    »Sir?«
    »Hast du was gegessen?« Guter Gott, er wurde ja zum reinsten Kindermädchen.
    Ein breites Grinsen erschien auf Quigleys sommersprossigem Gesicht. Es war der erste jungenhafte Ausdruck, den er zeigte. »Aalpastete mit Kartoffelbrei. War lecker, Sir.«

Sieben
    E s war Viertel vor eins nachts, als Mary zum zweiten Mal an diesem Tag beim Speicherhaus von Thorold & Co. eintraf. Die Straße schien still und verlassen, abgesehen von ein paar Obdachlosen, an denen sie vorbeigekommen war und die zu einem unruhigen Nachtschlaf zusammengerollt in Hauseingängen lagen. In diesem Teil Londons wurde es selten richtig dunkel. Der Fluss reflektierte das Mondlicht, die erleuchteten Fenster und die Straßenlaternen. An diesem Abend allerdings lag Southwark in einer Erbsensuppe, die so dicht war, dass man sie zu spüren vermeinte. Als Mary zur Probe ihre Hand auf Armeslänge von sich streckte, sahen ihre Finger geisterhaft und verschwommen aus.
    Seit über fünf Jahren hatte sie keine Jungensachen mehr getragen. Sie hatte fast vergessen, wie bequem und praktisch eine Hose war. Und mit der Mütze tief über ihren Augen hatte der Droschkenfahrer nicht das mindeste Interesse daran gezeigt, wohin sie fuhr oder was sie vorhatte: Er war eher besorgt gewesen,ob sie die Fahrt auch bezahlen könnte. Wenn diese Untersuchung abgeschlossen war, hatte sie Lust, so etwas noch mal zu machen, nur zum Spaß   – auch wenn sie auf das heimliche Einbrechen und den stinkenden Fluss verzichten konnte.
    Diesmal musste sie sich jedoch darauf konzentrieren, Beweismaterial zu sammeln. Sie war jetzt seit einer Woche bei den Thorolds und konnte nichts vorzeigen. Da der Fall in sechs Tagen abgeschlossen sein sollte, musste sie unbedingt etwas finden, um der Agentur zu helfen   – zu was war sie sonst da? Den ganzen Tag hatte sie sich den Kopf zerbrochen. Ihr ursprünglicher Auftrag hatte gelautet, einfach die Augen und die Ohren offen zu halten. Technisch gesehen. Aber Anne Treleaven und Felicity Frame hatten ihre Gründe, sie in den Haushalt einzuschleusen. Sie handelte ja nicht aus persönlicher Neugier, um sich mit der Hauptagentin zu messen; sie handelte nur im Interesse der Agentur. Und sie konnte nichts beisteuern, wenn sie nicht die Initiative ergriff. Denn was nützte schließlich eine Spionin, die nichts erfuhr, nichts hörte, nichts unternahm und auch ihre grauen Zellen nicht in Bewegung setzte?
    Das hatte sie sich zumindest den ganzen Tag eingeredet, um ihr Gewissen zu beruhigen. Jetzt war es zu spät, um zu zögern.
    Sie schüttelte das anhaltende Gefühl ab, dass sie jemand beobachtete, und machte sich an den Eisenzaun heran. Versuchsweise steckte sie den Kopf zwischen die Stäbe. Es war knapp, aber gerade ebenmöglich. Als sie noch in Häuser eingebrochen war, war ihre Devise gewesen: »Wo der Kopf durchpasst, passt auch der Rest durch.« Sie warf ihren Beutel mit ihrer Ausrüstung über den Zaun und wartete. Falls dort ein Wachhund herumlief, würde er sich gleich bemerkbar machen.
    Eine Minute verging. Nichts   … abgesehen von dem nagenden Verdacht, dass sie nicht allein war. Abrupt drehte sie sich um: wieder nichts, natürlich nicht. Memme. Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn und quetschte sich mit einem Ächzen durch die Stäbe. »Wo der Kopf durchpasst   …« In jenen Tagen war sie noch flachbrüstig gewesen.
    Das Kopfsteinpflaster auf dem Hof war rutschig. Sie griff nach ihrem Beutel und überquerte leise den Hof, immer in Alarmbereitschaft, falls sie Stimmen oder Schritte hörte. Im Hauptgebäude hatte jemand die Tür vom Ladekai unverschlossen gelassen. Also wirklich! Thorold brauchte dringend ein besseres Sicherheitssystem. Mary stellte fest, dass ihr Unbehagen

Weitere Kostenlose Bücher