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Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Titel: Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y.S. Lee
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Augen. Er hatte sein Gespräch mit dem Heimleiter bis zum Geht-nicht-mehr hingezogen, ehe er wieder in die Kutsche gestiegen war. Und jetzt hatte er nochmals eine halbe Stunde gewartet. Es kam ihm allerdings länger vor.
    Sein Blick wanderte zu Marys Handtasche, die ordentlich auf dem gegenüberliegenden Sitz lag. Sollte er es wagen? Die Situation auszunutzen war natürlich unfair und unfein, egal, wie man es nannte   … aber zum Teufel. So verhielt sich Mary ja auch. Abgesehen von dem üblichen Kram   – ein paar Münzen, ein sauberes Taschentuch   – lag ein Brief darin mit dem Poststempel vom Vortag. James überflog ihn rasch.
Meine liebe Mary, ich schreibe Dir mit einer tragbaren Briefmappe, die für den Fall einer Reise praktisch ist   …
Was für eine unsinnige Nachricht. Was kümmerte es Mary denn, was die alte Schachtel mit ihren Schutzbefohlenen machte?
    Er hatte den Brief schon zurückgelegt, als ihn etwas zögern ließ. Irgendetwas kam ihm seltsam vor   … er konnte nicht genau sagen, was. Erneut las er den Brief durch. Was war das denn für eine Schulleiterin, die damit prahlte, eine Reisebriefmappe zu haben, während sie sich Sorgen um ihre Schülerinnen machte? Wer war die Frau überhaupt? Er musste diese Anne Soundso doch mal überprüfen. Er hielt den Briefbogen gegen das Licht, wenn auch voller Selbstironie. Unsichtbare Tinte und Briefcodes waren doch etwas aus abenteuerlichen Ammenmärchen und hatten nichts mit echten Untersuchungen zu tun. Und doch war ja alles an Mary ein bisschen abenteuerlich.
    Ein schwacher Hauch von Zitronenseife hing noch im Wagen   – ein Duft, der ihm sofort das Bild von Mary in nichts als ihrer Unterwäsche vor Augen rief. Ihre nackten Schultern und Arme hatten in der düsteren Kutsche geschimmert. Er hatte nicht vorgehabt, wie ein Schuljunge zu glotzen. Aber es tat ihm auch nicht leid.
    Der Anblick einer großen rostbraunen Stute riss ihn aus seinen Träumereien. Sie blieb direkt vor dem Laskarenheim stehen. Der Reiter, ein hübscher blonder Herr, kam James sofort nur allzu vertraut vor. Er runzelte die Stirn, blickte noch einmal kurz die Straße entlang und zog sich vom Kutschenfenster zurück. Tatsächlich, gleich hinter Pferd und Reiter erschien ein Schlachterjunge mit sandfarbenem Haar und einem Korb am Arm. Er blieb auf der Straße stehen, las etwas von einem Zettel ab und murmelte ein paarPunkte davon vor sich hin. James lächelte beim Anblick seines jungen Komplizen: Alfred Quigley hatte doch wirklich eine schauspielerische Ader.
    Als der Reiter in dem Heim verschwunden war, sah James auf seine Taschenuhr. Mary war inzwischen fast eine Stunde in dem Haus. Nachdem jetzt unerwartet Michael Gray aufgetaucht war, würde sie bestimmt noch mindestens eine Viertelstunde brauchen. Nun gut: Er würde sich nicht aufregen, sondern die Zeit sinnvoll nutzen. An die unzähligen Dinge denken, die er heute noch erledigen musste. Auf Antworten zu seinen eigenen Untersuchungen sinnen. Er streckte die langen Beine aus und schlug sie wieder übereinander. Und merkte, dass er ungeduldig mit den Zähnen knirschte.
    Als Mary auftauchte, diesmal durch die Haustür, bewegte sie sich wie in Trance. Ihr Ausdruck, der normalerweise so wach war, wirkte völlig abgelenkt. Ehe Barker den Tritt für sie herunterklappen konnte, ergriff James sie bei den Armen und hob sie praktisch in die Kutsche.
    Mit einem Plumps, der ihren Rock stauben ließ, landete sie auf ihrem Platz, legte jedoch keinen Protest ein. »Sie müssen genug haben vom Warten«, sagte sie.
    »Ein wenig.« Sein Ton war unter den gegebenen Umständen überraschend ruhig.
    »Tut mir leid.« Sie klang ganz untypisch kleinlaut und sah ihn nicht an.
    Er wartete mit zuckenden Mundwinkeln. »Und?«, fragte er schließlich.
    »Ach so   – Sie wollen hören, was ich herausgefunden habe.« Ihre Augen waren gerötet. Staub vielleicht.
    »Ja.«
    Sie starrte einen Augenblick aus dem Fenster und schien sich zu fassen. »Schließen Sie die Augen«, sagte sie. »Ich erzähle, während ich mich umziehe.«
    James legte sicherheitshalber die Hand über die Augen und hörte ungeduldig ihrer kurzen Beschreibung des Gebäudes und der Schlafsäle der Matrosen zu. »Mehr haben Sie nicht gesehen? Was hat Sie so lange aufgehalten?«
    »Tja   – der Heimleiter hat mich erwischt. Ich musste so tun, als würde ich Arbeit suchen. Gut, dass ich so verkleidet war.« Sie knöpfte ihr Kleid fertig zu und überprüfte, dass der Anhänger nicht zu

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