Ein verhaengnisvoller Winter
glaub ni cht, dass er betrunken war. Ich hab ihn vorher ankommen sehen, mit dem Fahrrad. Ich hatte gerade die Kinder geholt und wollte die Tür zu machen. Da kam er an, hat mich mürrisch begrüßt, hat sein Fahrrad abgestellt und ist nach nebenan marschiert. Und da war er ganz normal. Und noch keine Stunde später torkelt er, kann beinahe nicht mehr alleine stehen und lallt vor sich hin?“
Margot schüttelte nur den Kopf.
„Was ist, wenn er krank ist?“
„Krank!“
„Ja, krank. Irgendwas mit dem Kreislauf.“ Josefine verzog das Gesicht. „Aber dann lallt man nicht, oder?“ Josefine dachte nach. „Oder einen Schlag oder so was.“
„Einen Schlaganfall? Der Mann ist Mitte zwanzig!“
„Ja, was weiß ich denn ? Auf jeden Fall war er nicht betrunken. Er ist noch zielstrebig mit dem Fahrrad hier angekommen und normal erschienen. Nicht, dass er jetzt krank zu Hause liegt und keiner kommt ihm helfen.“ Besorgt sah Josefine ihre Cousine an. Diese tippte sich kommentarlos an die Stirne.
Einen Moment starrte Josefine unentschlossen vor sich hin. Übertrieb sie wirklich? Machte sie si ch lächerlich, wenn sie jetzt ins Dorf fuhr? Wenn sie Pech hatte, schmiss Richard sie hochkant raus, wenn sie dort ankam. Aber sie hatte so ein komisches Gefühl. Was, wenn er wirklich Hilfe brauchte? Er hatte keinen Menschen, den er um Hilfe bitten konnte. Keinen, der sich um ihn sorgte. Keinen außer ihr. Entschlossen griff Josefine nach ihrer Jacke. „Ich fahr jetzt ins Dorf und geh gucken, was der Richard macht.“ Sie zog energisch ihrer Jacke an. „Ich nehm dein Fahrrad, ja?“, rief sie, schon auf dem Weg nach draußen und machte sich auf den Weg ins Dorf.
Bei Richard angekommen, klingelte sie und wartete ungeduldig, dass die Tür geöffnet wurde. Als nach dem zweiten Klingeln immer noch nichts passierte, klingelte sie bei den Nachbarn. Schließlich öffnete eine alte Frau die Türe. Josefine entschuldigte sich und erklärte, sie habe versehentlich bei ihr geklingelt, ehe sie die Treppe hocheilte. Sie drückte die Klinke zu Richards Tür hinunter. In seinem Zustand hatte er bestimmt nicht daran gedacht, die Türe von innen abzuschließen und erleichtert stellte sie fest, dass sie richtig vermutet hatte. Sie schwang die Türe auf und trat, nun doch etwas unsicher, ein. „Richard?“ Was, wenn er doch etwas dagegen hatte, dass sie hier war? “Richard, bist du da?” Der konnte doch nicht weggegangen sein in seinem Zustand. Langsam trat sie weiter ein. Dann blieb ihr beinahe das Herz stehen. Richard lag auf dem Boden vor dem Sofa. Einen Moment dachte sie daran, dass es dieses Bild war, was sich ihm geboten haben musste, als er seinen Vater gefunden hatte. Dann löste sie sich aus ihrer Erstarrung und stützte auf die reglose Gestalt zu. „Richard!“ Panisch sah sie den leblosen Körper an und versuchte, ihn auf den Rücken zu drehen. Ihr Blick fiel auf das Blut in seinen Haaren. „Oh, bitte, lieber Gott!“ Sie betastete die Wunde und spürte die dicken Beulen auf seinem Schädel. „Richard!“ Sie schüttelte ihn zaghaft und versuchte wieder, ihn umzudrehen, um einen Blick auf sein Gesicht werfen zu können. Lebte er noch? Er war doch ganz sicher nur bewusstlos. Verzweifelt blinzelte sie die Tränen weg und sprang auf. Sie rannte über den Flur und hämmerte an die gegenüberliegende Wohnungstüre, bis diese geöffnet wurde.
„Langsam, langsam .“ Die Frau, die ihr eben unten geöffnet hatte, sah sie unfreundlich an. „Sie schon wieder!“
„Schnell, s chnell, jemand muss mir helfen.“ Josefine zeigte fahrig hinter sich. „Ist ihr Mann vielleicht da? Mein äh.. mein Freund ist verletzt und regt sich nicht mehr.“
Ohne den Blick von der heulenden Gestalt vor sich zu nehmen, rief Frau Schwarz in ihre Wohnung. „ Hubert, komm mal schnell. Hier ist was passiert.“
„Danke“, rief Josefine und zog die Nase hoch. „Ich geh schon mal wieder rüber.“
Sie rannte wieder rüber und hockte sich zu Richard. Sie versuchte, sich zu beruhigen und beobachtete die leblose Gestalt. Atmete er? Sie blinzelte die Tränen weg und starrte krampfhaft weiterhin auf seinen Rücken. Hatte sie gerade ein winziges Heben und Senken ausgemacht? Aufgeregt versuchte sie, es noch einmal zu sehen.
„Ach du je. Was hat er denn?“
Josefine sah auf. „Ich weiß es nicht“, antwortete sie dem Mann, der neben ihr zum Stehen kam. „Es ging ihm vorhin nicht gut und jetzt hab ich ihn so gefunden. Vielleicht ist er gefallen?
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