Ein verhängnisvolles Versprechen
ist der einzige Grund, nicht einfach alles hinzuschmeißen und zu sterben. Meine anderen Kinder. Aber eins kannst du mir glauben: Mein Leben ist vorbei. Man könnte mich genauso gut mit Aimee begraben. Darum geht es. Ich bin ein toter Mann, Myron. Aber ich gehe nicht als Feigling.«
»Mach mal halblang«, sagte Myron. »Bisher wissen wir noch nichts.«
Dann fiel Myron noch etwas ein. Aimee war heute Abend im Internet gewesen. Er wollte Erik daran erinnern, ihm etwas Hoffnung geben, entschloss sich aber, sich das Ganze noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Da stimmte etwas nicht. Erik hatte einen interessanten Punkt aufgeworfen. Nach allem, was sie wussten, gab es keinen vernünftigen Grund dafür, Aimee zu entführen – es gab nur Gründe dafür, sie umzubringen.
War das im Internet wirklich Aimee gewesen? Hatte sie Erin diese Warnung geschickt?
Irgendetwas stimmte da nicht.
Sie bogen so schnell von der Route 280 ab, dass der Wagen nur noch auf zwei Rädern fuhr. Erik wurde erst langsamer, als sie die Straße erreichten, in der die Wolfs wohnten. Er fuhr den Berg hinauf. Zwei Häuser vor dem Haus der Wolfs hielt er an.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Erik.
»Wir klingeln und gucken, ob er zu Hause ist.«
Beide stiegen aus und gingen die Einfahrt hinauf. Myron übernahm die Führung. Erik überließ sie ihm. Myron drückte den Klingelknopf. Ein prätentiöses, viel zu langes Trillern ertönte. Erik trat ein paar Schritte zurück ins Dunkel. Myron wusste, dass Erik die Pistole hatte. Er fragte sich, wie er damit umgehen sollte. Schließlich hatte Erik heute Abend schon einmal auf einen Menschen geschossen. Er schien nicht abgeneigt, das zu wiederholen.
Lorraine Wolfs Stimme erklang aus der Gegensprechanlage. »Wer ist da?«
»Hier ist Myron Bolitar, Mrs Wolf.«
»Es ist schon sehr spät. Was wollen Sie?«
Myron dachte an das kurze, weiße Tenniskleid und die zweideutige Stimme. Davon war nichts zu hören. Die Stimme klang knallhart.
»Ich muss Ihren Mann sprechen.«
»Der ist nicht da.«
»Mrs Wolf, würden Sie bitte die Tür aufmachen?«
»Bitte gehen Sie.«
Myron überlegte, wie er weiter vorgehen sollte. »Ich habe Randy vorhin getroffen.«
Schweigen.
»Er war auf einer Party. Wir haben über Aimee gesprochen. Dann habe ich mich mit Harry Davis unterhalten. Ich weiß alles, Mrs Wolf.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
»Entweder Sie machen die Tür auf, oder ich gehe zur Polizei.«
Wieder Schweigen. Myron drehte sich um und sah Erik an. Der war immer noch ruhig. Das gefiel Myron ganz und gar nicht.
»Mrs Wolf?«
»Mein Mann ist in einer Stunde wieder da. Kommen Sie dann wieder.«
Jetzt übernahm Erik Biel. »Nein, wir kommen jetzt rein.«
Er zog die Pistole, hielt sie kurz vor das Türschloss und drückte ab. Die Türflog auf. Erik stürzte mit gezogener Waffe hinein. Myron zog seine Pistole aus der Tasche und folgte ihm.
Lorraine Wolf schrie.
Erik und Myron liefen in die Richtung des Schreis. Als sie ins Wohnzimmer kamen, blieben sie stehen.
Lorraine Wolf war allein.
Einen Augenblick lang rührte sich niemand. Myron versuchte zu begreifen, was er hier sah. Lorraine Wolf stand mitten im Zimmer. Sie trug Gummihandschuhe. Das fiel ihm zuerst auf. Hellgelbe Gummihandschuhe. Dann sah er sich die Hände genauer an. In einer, der rechten, hielt sie einen Schwamm. In der anderen – der linken – trug sie einen gelben Eimer.
Auf dem Teppich war ein feuchter Fleck. Offenbar hatte sie dort gerade den Teppich gereinigt.
Myron und Erik traten einen Schritt vor. Jetzt sahen sie das Wasser im Eimer. Es hatte einen schrecklichen rosafarbenen Stich.
Erik sagte: »Oh nein …«
Myron wollte sich umdrehen und ihn festhalten, aber es war schon zu spät. Hinter Eriks Augen explodierte etwas. Er stieß ein Geheul aus und stürmte auf die Frau zu. Lorraine Wolf schrie. Der Eimer fiel um. Die rosafarbene Flüssigkeit ergoss sich über den Fußboden.
Erik warf sich mit so viel Schwung auf Lorraine, dass beide hinten über die Couch stürzten. Myron war direkt hinter ihm, wusste aber nicht recht, was er tun sollte. Wenn er zu aggressiv vorging, drückte Erik womöglich einfach ab. Aber wenn er gar nichts tat …
Erik hatte Lorraine Wolf gepackt. Er drückte ihr den Pistolenlauf auf die Schläfe. Sie schrie, umklammerte seine Hand und versuchte, sie wegzudrücken. Erik bewegte sich nicht.
»Was haben Sie mit meiner Tochter gemacht?«
»Nichts!«
Myron sagte: »Nicht,
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