Ein verhängnisvolles Versprechen
wenn sie die Figur dafür hatte.
Sie sah fast genauso aus wie ihre Mutter in dem Alter.
»Die Ampel ist grün«, sagte Aimee.
Er fuhr los. »Was ist passiert?«
»Ein paar Leute haben zu viel getrunken. Ich wollte nicht mit ihnen fahren.«
»Wo?«
»Wo was?«
Myron wusste, dass junge Leute nicht unbedingt in Midtown wohnten oder ausgingen. Die meisten gingen in die Upper East Side oder vielleicht noch nach Greenwich Village. »Wo habt ihr getrunken?«
»Ist das wichtig?«
»Ich würd’s gern wissen.«
Schließlich sah Aimee ihn an. »Du hast es versprochen.«
Er fuhr weiter.
»Du hast versprochen, dass du keine Fragen stellst, erinnerst du dich?«
»Ich wollte nur wissen, ob mit dir alles in Ordnung ist.«
»Ja, alles in Ordnung.«
Myron bog nach rechts ab. »Dann bring ich dich jetzt nach Hause.«
»Nein.«
Er wartete.
»Ich schlaf heut Nacht bei einer Freundin.«
»Wo?«
»Sie wohnt in Ridgewood.«
Er sah sie an, schaute dann wieder auf die Straße. »In Bergen County?«
»Ja.«
»Ich würd dich lieber nach Hause bringen.«
»Meine Eltern wissen, dass ich bei Stacy schlafe.«
»Dann solltest du sie vielleicht anrufen.«
»Und was soll ich ihnen sagen?«
»Dass es dir gut geht.«
»Myron, sie glauben, dass ich mit einer Freundin unterwegs bin. Wenn ich sie anrufe, fangen sie an, sich Sorgen zu machen.«
Damit hatte sie nicht Unrecht, trotzdem war Myron unwohl dabei. Die Tankleuchte ging an, das Benzin ging zur Neige. Er fuhr den West Side Highway entlang, überquerte die George Washington Bridge und hielt dann an der ersten Tankstelle an der Route 4. New Jersey war einer von zwei Bundesstaaten, in denen Selbstbedienung beim Tanken verboten war. Der Tankwart trug einen Turban und war in einen Nicholas-Sparks-Roman vertieft, daher zeigte er sich nicht gerade begeistert, sie zu sehen.
»Für zehn Dollar«, sagte Myron.
Der Tankwart machte sich an die Arbeit. Aimee fing an zu schluchzen.
»Du siehst gar nicht aus, als hättest du was getrunken«, sagte Myron.
»Das hab ich auch nicht behauptet. Der Fahrer aber.«
»Du siehst eher aus«, fuhr Myron fort, »als hättest du geweint.«
Sie reagierte mit einer dieser Teenager-Gesten, die wohl ein Achselzucken darstellen sollte.
»Wo ist deine Freundin Stacy denn jetzt?«
»Zu Hause.«
»Sie war gar nicht mit dir in der Stadt?«
Aimee schüttelte den Kopf und wandte sich ab.
»Aimee?«
Sie sprach leise. »Ich dachte, ich kann dir vertrauen.«
»Kannst du auch.«
Wieder schüttelte sie den Kopf. Dann griff sie zur Tür und öffnete sie. Sie wollte aussteigen. Myron griff nach ihr. Er packte ihre Handgelenke etwas fester, als er vorgehabt hatte.
»Hey«, sagte sie.
»Aimee …«
Sie versuchte, sich zu befreien. Myron hielt sie weiter am Handgelenk fest.
»Du rufst meine Eltern an.«
»Ich will nur wissen, ob mit dir alles in Ordnung ist.«
Sie zog an seinen Fingern, um ihre Hand frei zu bekommen. Myron spürte, wie sich ihre Fingernägel in seine Haut gruben.
»Lass mich los.«
Er ließ los. Sie sprang aus dem Wagen. Myron wollte ihr nachlaufen, aber er war noch angeschnallt. Er kam nicht los. Dann schnallte er sich ab und stieg aus. Aimee stolperte mit trotzig verschränkten Armen die Straße entlang.
Er lief ihr nach. »Bitte komm zurück, und setz dich wieder in den Wagen.«
»Nein.«
»Ich fahr dich, okay?«
»Lass mich doch einfach in Ruhe.«
Sie stürmte weiter. Autos schossen vorbei. Manche hupten, wenn sie an ihr vorbeifuhren. Myron folgte ihr.
»Wo willst du hin?«
»Ich hab einen Fehler gemacht. Ich hätte dich nicht anrufen sollen.«
»Aimee, komm mit zum Wagen. Es ist gefährlich hier draußen.«
»Du erzählst doch nur meinen Eltern davon.«
»Tu ich nicht. Versprochen.«
Sie wurde langsamer und blieb schließlich stehen. Weitere Autos fuhren auf der Route 4 vorbei. Der Tankwart sah sie an und breitete die Arme in einer Was-ist-denn-nun-Geste aus. Myron hielt den ausgestreckten Zeigefinger in die Luft, um ihm mitzuteilen, dass sie nur noch eine Minute brauchten.
»Tut mir leid«, sagte Myron. »Ich hab mir nur Sorgen um dich gemacht. Aber du hast Recht, ich hab dir ein Versprechen gegeben, und das werde ich auch halten.«
Aimee stand immer noch mit verschränkten Armen am Straßenrand. Sie sah ihn von der Seite mit einem Blick an, wie er nur der Jugend zur Verfügung steht. »Schwörst du das?«
»Ich schwöre«, sagte er.
»Und du stellst mir auch keine Fragen mehr?«
»Okay.«
Sie trottete
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