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Ein verhängnisvolles Versprechen

Ein verhängnisvolles Versprechen

Titel: Ein verhängnisvolles Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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großes Schild, auf dem stand NEUER BESITZER.
    »Puh«, sagte Myron und zeigte auf das Schild. »Das wurde aber auch Zeit, findest du nicht?«
    Ali nickte. »Der Laden war ja so schlecht geführt.«
    Im Leather and Lust benahm Ali sich dann, als wäre sie im Louvre. Sie betrachtete die Fotos an den Wänden, inspizierte die Geräte, die Kostüme, die Fesseln und Seile. Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin einfach hoffnungslos naiv.«
    »Nicht hoffnungslos«, sagte Myron.
    Ali deutete auf etwas Schwarzes, Langes, das an menschliche Eingeweide erinnerte.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    »Schlag mich tot, ich habe keine Ahnung.«
    »Stehst du auf, äh …?«
    »Oh nein.«
    »Zu schade«, sagte Ali. Dann: »Ein Witz, das war einfach nur ein Witz.«
    Ihre Romanze entwickelte sich, aber langsam machten sich auch erste Probleme bemerkbar, die entstanden, wenn man mit jemandem zusammen war, der kleine Kinder hatte. Seit ihrer ersten gemeinsamen Nacht waren sie sich nicht mehr so nahegekommen. Und Erin und Jack hatte Myron seit der Coming-out-Party
nur ein paar Mal kurz gesehen. Beide wussten nicht, wie schnell sie die Beziehung intensivieren sollten, Ali bestand aber darauf, dass sie den Kindern genug Zeit gaben.
    Ali musste früh los. Jack musste noch ein Projekt für die Schule fertig stellen, und sie hatte versprochen, ihm dabei zu helfen. Myron brachte sie zu ihrem Wagen und beschloss, über Nacht in New York zu bleiben.
    »Wie lange bleibst du in Miami?«, fragte Ali.
    »Nur ein oder zwei Nächte.«
    »Würde es einen heftigen Würgereiz auslösen, wenn ich sage, dass ich dich vermissen werde?«
    »Na ja, besonders heftig wäre er wohl nicht.«
    Sie küsste ihn sanft. Als sie wegfuhr, sah Myron ihr mit klopfendem Herzen hinterher. Dann ging er zur Party zurück.
    Da er sowieso geplant hatte, in der Stadt zu bleiben, fing er an, Alkohol zu trinken. Er war kein großer Trinker – auf Alkohol reagierte er fast wie ein vierzehnjähriges Mädchen –, aber auf dieser wunderbaren und bizarren Feier heute Abend war er in der Stimmung, sich richtig einen hinter die Binde zu gießen. Win verhielt sich genauso, brauchte aber erheblich mehr, um berauscht zu werden. Für Win hatte Cognac beinahe die Funktion von Muttermilch. Man merkte ihm kaum an, dass er etwas getrunken hatte – zumindest äußerlich nicht.
    Doch das spielte heute auch keine Rolle. Wins Stretch-Limousine stand schon bereit, um sie nach Uptown zurückzubringen.
    Wins Apartment im Dakota-Building war schon unmöbliert ungefähr eine Milliarde Dollar wert. Die Einrichtung erinnerte an Versailles. Nach ihrer Ankunft schenkte Win sich einen obszön teuren Vintage Portwein ein, Quinta do Noval Nacional 1963. Die Flasche war ein paar Stunden vorher dekantiert worden, weil man, wie Win erklärte, einem Vintage Port Zeit zum Atmen geben musste. Myron trank normalerweise einen Schokoladen-Yoo-hoo, aber sein Magen war nicht in Stimmung. Außerdem hätte die Schokolade keine Zeit zum Atmen gehabt.

    Win stellte den Fernseher an, und sie sahen sich die Antiques Roadshow an. Eine hochnäsige Frau hatte eine scheußliche Bronze-Büste mitgebracht. Sie erzählte dem Schätzer in einem schleppenden Singsang, dass Dean Martin ihrem Vater 1950 zehntausend Dollar für diesen erbärmlichen Metallklotz angeboten hatte, aber ihr Daddy, sagte sie mit entschlossen gehobenem Zeigefinger und dazu passendem Grinsen, war einfach zu gewieft gewesen. Er hätte gewusst, dass sie ein Vermögen wert sein musste. Der Schätzer nickte geduldig und wartete, bis die Frau ausgeredet hatte. Dann sprach er sein Urteil:
    »Sie ist ungefähr zwanzig Dollar wert.«
    Myron und Win klatschten sich schweigend ab.
    »Schadenfreude über das Leid anderer Menschen«, sagte Win.
    »Wir sind echt jämmerliche Typen«, sagte Myron.
    »Das liegt nicht an uns.«
    »Nicht?«
    »Es liegt an der Sendung«, sagte Win. »Sie legt sozusagen den Finger auf viele offene Wunden unserer Gesellschaft.«
    »Wieso?«
    »Es reicht den Leuten nicht, dass ihr Plunder ein Vermögen wert ist. Nein, sie müssen ihn auch noch spottbillig von einem ahnungslosen Toren gekauft haben. Keiner denkt an die Gefühle des nichtsahnenden Flohmarkt-Verkäufers, der dabei übers Ohr gehauen wurde.«
    »Gutes Argument.«
    »Ja, aber es geht noch weiter.«
    Myron lächelte, lehnte sich zurück und wartete.
    »Lassen wir die Gier einen Moment lang außer Acht«, fuhr Win fort. »Am meisten regt uns doch auf, dass jeder, aber auch jeder in der

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