Ein verhängnisvolles Versprechen
eine leichte Neigung des Kopfes half. Statt vier Fingerknöcheln trafen dann vielleicht nur ein oder zwei. Das war ein gewaltiger Unterschied. Außerdem musste man sich entspannen, sich abwenden, buchstäblich mit dem Schlag mitgehen. Bei einem Schlag in die Magengrube, besonders wenn die Hände hinter dem Rücken gefesselt waren, musste man die Bauchmuskeln anspannen, sich vorbeugen und an der Hüfte einknicken, damit man nicht die volle Wucht abbekam. Und genau das tat Myron.
Der Schlag tat nicht sonderlich weh, aber Myron lieferte eine Show, bei der Robert De Niro sich Notizen gemacht hätte.
»Aarrrggggghhh!«
»Verdammt, Joe«, sagte der Große, »was machst du denn da?«
»Er wollte mich verarschen.«
Myron blieb zusammengekrümmt sitzen und tat, als bekäme er keine Luft mehr. Er keuchte, schnaufte und fing dann an, scheinbar unkontrolliert zu husten.
»Du hast ihn verletzt, Joe!«
»Ich hab ihm nur einen leichten Schlag auf die Brust verpasst. Wenn er gleich wieder Luft kriegt, ist alles okay.«
Myron hustete weiter. Er tat so, als bekäme er keine Luft. Dann fing er an zu zucken. Er verdrehte die Augen und krümmte sich wie ein Fisch an Land.
»Jetzt beruhig dich, verdammt!«
Myron streckte die Zunge heraus und würgte. Irgendwo rief ein Casting-Agent Scorsese an.
»Er erstickt!«
»Medizin!«, stieß Myron hervor.
»Was?«
»Keine Luft!«
»Scheiße, Joe, nimm ihm die Handschellen ab!«
»Keine Luft!«, keuchte er, und sein Körper erschlaffte. »Herzmittel! Im Wagen!«
Der Größere öffnete die Tür. Er nahm seinem Partner den Schlüssel ab und öffnete die Handschellen. Myron verdrehte weiter die Augen und zuckte.
»Luft!«
Der Große sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Myron wusste, was er dachte: außer Kontrolle. Die Sache geriet außer Kontrolle.
»Luft!«
Der Große trat zur Seite. Myron ließ sich aus dem Wagen fallen. Er stand auf und deutete auf seinen Wagen. »Medizin!«
»Gehen Sie!«, sagte der Größere.
Myron rannte zu seinem Wagen. Die beiden sahen ihm verblüfft
hinterher. Das hatte Myron erwartet. Die beiden sollten ihn nur einschüchtern. Mit Widerworten hatten sie nicht gerechnet. Sie waren Dorfpolizisten. Die Bürger dieser glücklichen Vororte stellten ihre Anweisungen nicht in Frage. Jetzt hatte ihnen plötzlich jemand Paroli geboten. Sie hatten die Fassung verloren und einen Menschen geschlagen. So etwas konnte einen Riesenärger geben. Beide wollten das Ganze so schnell wie möglich beenden. Genau wie Myron. Er wusste, was er wissen musste – Big Jake Wolf hatte Angst und versuchte, etwas zu verbergen.
Als Myron seinen Wagen erreicht hatte, stieg er ein, steckte den Schlüssel ins Zündschloss, ließ den Motor an und fuhr los. Er sah in den Rückspiegel. Er ging davon aus, dass die Cops ihm nicht folgen würden.
Das taten sie auch nicht. Sie standen einfach nur da.
Sie schienen sogar erleichtert zu sein, dass er weg war.
Er lächelte. Ja, keine Frage.
Myron Bolitar war wieder da.
30
Myron überlegte noch, was er als Nächstes tun sollte, als sein Handy klingelte. Im Display stand: Out of Area. Er ging ran. Esperanza fragte: »Wo bist du, verdammt noch mal?«
»Hey, wie laufen die Flitterwochen?«
»Beschissen. Willst du wissen, wieso?«
»Bringt Tom es nicht?«
»Klar, ihr Männer seid ja sooo schwer zu verführen. Nein, mein Problem ist, dass mein Geschäftspartner sich nicht um unsere Klienten kümmert. Mein Geschäftspartner ist nicht im Büro und nimmt keine Anrufe an, während ich im Urlaub bin.«
»Tut mir leid.«
»Ja, logisch, damit ist natürlich alles wieder in Butter.«
»Ich sag Big Cyndi, dass sie alle Anrufe direkt auf mein Handy
weiterleiten soll. Und dann seh ich zu, dass ich wieder ins Büro komme.«
»Was ist los?«, fragte Esperanza.
Myron wollte ihre Flitterwochen nicht noch weiter stören, also sagte er: »Nichts.«
»Du lügst wie gedruckt.«
»Wenn ich’s doch sage. Es ist nichts.«
»Gut, dann ruf ich Win an.«
»Warte. Ich sag’s dir.«
Er brachte sie kurz auf den aktuellen Stand.
»Du fühlst dich also für sie verantwortlich, weil du ihr geholfen hast?«, fragte Esperanza.
»Ich war der Letzte, der sie gesehen hat. Ich hab sie abgesetzt und sie einfach weggehen lassen.«
»Weggehen lassen? Was soll der Quatsch? Sie ist achtzehn, Myron. Damit ist sie eine erwachsene Frau. Sie hat dich gebeten, sie abzuholen. Galant – und dumm – wie du nun mal bist, hast du’s gemacht. Das ist alles.«
»Ist
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