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Ein verhängnisvolles Versprechen

Ein verhängnisvolles Versprechen

Titel: Ein verhängnisvolles Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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entweder waren seine Verfolger nicht besonders gut, oder es interessierte sie nicht, ob sie entdeckt wurden. Vielleicht war Myron nach dem Ärger mit den Zwillingen aber auch argwöhnischer geworden. Auf jeden Fall fuhr ein grauer Chevrolet Caprice hinter ihm her, seit er das erste Mal abgebogen war.
    Er rief Win an. Der meldete sich mit dem üblichen »Ich höre«.
    »Ich werde verfolgt«, sagte Myron.
    »Wieder Rochester?«
    »Möglich.«
    »Automarke und Kennzeichen?«
    Myron gab sie ihm.
    Win sagte: »Wir sind noch auf der Route 280, also halt sie ein bisschen hin. Fahr die Mount Pleasant Avenue entlang. Ich guck mir das mal von hinten an. Wir treffen uns dann am Kreisel wieder.«
    Myron tat, was Win ihm gesagt hatte. Er wendete auf dem Gelände der Harrison School. Der Chevy, der ihn verfolgt hatte, fuhr geradeaus weiter. Myron nahm die Livingston Avenue in die Gegenrichtung. An der nächsten Ampel war der graue Chevy wieder hinter ihm.
    Am Kreisel vor der High School bog Myron von der Hauptstraße ab, parkte und stieg aus. Hier gab es keine Geschäfte, trotzdem war es das Herz von Livingston. Hier waren unzählige identische
Backsteingebäude versammelt: Polizeirevier, Gerichtsgebäude, Stadtbibliothek und das Kronjuwel: die Livingston High School.
    Der Kreisel war von frühmorgendlichen Joggern und Walkern bevölkert. Die meisten waren schon etwas älter und bewegten sich langsam. Aber nicht alle. Vier heiße Bräute mit strammen Körpern joggten auf ihn zu. Sie waren etwa Anfang zwanzig.
    Myron lächelte ihnen zu und zog eine Augenbraue hoch. »Hallöchen, meine Damen«, sagte er, als sie an ihm vorbeiliefen.
    Zwei kicherten. Die andern beiden sahen ihn an, als hätte er gerade verkündet, er hätte sich in die Hose gemacht.
    Win erschien neben ihm. »Hast du das Powerlächeln voll aufgedreht?«
    »Mindestens achtzig, neunzig Watt.«
    Win sah den jungen Frauen nach, bevor er einen Kommentar abgab. »Lesben«, sagte er.
    »Was sonst?«
    »Das werden immer mehr, findest du nicht?«
    Myron überschlug die Sache im Kopf. Er war wahrscheinlich fünfzehn, zwanzig Jahre älter als sie. Wenn’s um junge Frauen geht, will man das einfach nicht so genau wissen.
    »Der Wagen, der dir gefolgt ist«, sagte Win, während er den Joggerinnen hinterherblickte, »ist ein Zivilfahrzeug der Polizei mit zwei uniformierten Beamten. Sie stehen an der Bibliothek und beobachten uns durch ein Teleobjektiv.«
    »Du meinst, sie machen Fotos? Jetzt?«
    »Wahrscheinlich«, sagte Win.
    »Wie sitzen meine Haare?«
    Win machte eine wegwerfende Handbewegung.
    Myron überlegte, was das bedeutete. »Wahrscheinlich sehen die mich immer noch als Verdächtigen.«
    »Kann ich nachvollziehen«, sagte Win. Er hatte eine Art Palm-Minirechner in der Hand. Damit verfolgte er über GPS
die Position des Autos. »Unser Lieblingslehrer müsste gerade ankommen.«
    Der Lehrerparkplatz war an der Westseite der Schule. Myron und Win gingen hinüber. Sie wollten ihn draußen abfangen und mit ihm sprechen, bevor der Unterricht angefangen hatte.
    Auf dem Weg sagte Myron: »Rate mal, wer um drei Uhr nachts bei mir zu Hause reingeschaut hat.«
    »Wink Martindale?«
    »Nein.«
    »Ich steh auf den Typen.«
    »Wer tut das nicht? Nein, Jessica.«
    »Ich weiß.«
    »Woher …« Dann fiel es ihm wieder ein. Er hatte Wins Handy angerufen, als er das Klicken der Tür gehört hatte. Erst als sie unten in der Küche waren, hatte er das Gespräch wieder unterbrochen.
    Win fragte: »Hast du’s ihr besorgt?«
    »Ja, sogar mehrmals. Allerdings nicht in den letzten sieben Jahren.«
    »Der war gut! Ach, sag mir doch bitte, ob sie da war, um noch mal im Gedenken an die guten alten Zeiten zu poppen?«
    »Poppen?«
    »Meine angelsächsische Erziehung. Und?«
    »Ein Gentleman genießt und schweigt. Aber ja.«
    »Und du hast abgelehnt?«
    »Ich habe meine Unschuld bewahrt.«
    »Diese Ritterlichkeit«, sagte Win. »Manche würden sie bewundernswert nennen.«
    »Du wohl nicht.«
    »Nein. Ich finde sie – ich versuche mich hier an großen Worten, also hör zu – durch und durch idiotisch.«
    »Ich bin mit einer anderen zusammen.«
    »Verstehe. Du und Ms Sechs-Komma-Acht, ihr habt einander also das Versprechen gegeben, nicht mit anderen zu bumsen.«

    »So läuft das nicht. Man guckt sich nicht plötzlich in die Augen und sagt: ›Komm, wir gehen jetzt nicht mehr mit anderen ins Bett.‹«
    »Also hast du ihr das nicht konkret versprochen?«
    »Nein.«
    Win hob hilflos die Hände.

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