Ein verhängnisvolles Versprechen
es nicht.«
»Pass auf, sagen wir, du hättest Win nach Hause gefahren, würdest du dann auch warten, bis er sicher im Haus ist?«
»Toller Vergleich.«
Esperanza kicherte. »Ist ja schon gut, ich komm nach Hause.«
»Nein, tust du nicht.«
»Okay, tu ich nicht. Aber du schaffst das nicht allein. Also sag ich Cyndi, dass sie die Anrufe hierher weiterleiten soll. Ich kümmer mich hier darum. Dann kannst du zu Hause den Superhelden spielen.«
»Aber ihr seid in den Flitterwochen. Was ist mit Tom?«
»Er ist ein Mann, Myron.«
»Und was soll das jetzt wieder heißen?«
»Solange ein Mann oft genug randarf, ist er glücklich und zufrieden.«
»Das ist ein Klischee.«
»Ja, ich weiß. Ich bin einfach schrecklich. Ich könnte dabei telefonieren oder Hector die Brust geben, und Tom würde keine Miene verziehen. Außerdem hat er dann mehr Zeit zum Golfen. Golf und Sex, Myron. Das sind so ziemlich Toms Traumflitterwochen.«
»Ich mach’s wieder gut.«
Beide schwiegen einen Moment lang.
»Esperanza?«
»Ich weiß, dass es ’ne Weile her ist, seit du so was zum letzten Mal gemacht hast«, sagte sie. »Ich weiß auch, dass ich dir das Versprechen abgenommen habe, dass du das nicht wieder machst. Aber vielleicht … vielleicht ist das auch ganz gut so.«
»Was meinst du damit?«
»Scheiße, woher soll ich das wissen? Ich muss mich wirklich um wichtigere Dinge kümmern. Wie die Schwangerschaftsstreifen, wenn ich einen Bikini trage. Unglaublich, dass ich jetzt Schwangerschaftsstreifen habe. Daran ist nur das Kind schuld, weißt du?«
Kurz darauf beendeten sie das Gespräch. Myron fuhr weiter, aber er fühlte sich nicht wohl in seinem Wagen. Wenn die Polizei ihn im Auge behalten wollte, oder Rochester sich entschloss, ihm noch ein paar Leute auf den Hals zu hetzen, war er zu leicht zu finden. Nach kurzem Überlegen rief er Claire an. Sie war sofort am Apparat.
»Hast du was rausgekriegt?«
»Eigentlich nicht, aber hast du was dagegen, wenn wir die Autos tauschen?«
»Natürlich nicht. Ich wollte dich gerade anrufen. Die Rochesters sind gerade gegangen.«
»Und?«
»Wir haben uns eine Weile unterhalten. Haben versucht, eine Verbindung zwischen Aimee und Katie zu finden. Aber mir ist was anderes aufgefallen. Und das muss ich mit dir besprechen.«
»Ich bin in zwei Minuten bei euch.«
»Ich warte vorm Haus.«
Als Myron ausstieg, warf Claire ihm ihre Autoschlüssel zu. »Ich glaube, Katie Rochester ist ausgerissen.«
»Wie kommst du darauf?«
»Kennst du ihren Vater?«
»Ja.«
»Das sagt doch schon alles, oder?«
»Vielleicht.«
»Was aber noch wichtiger ist, kennst du Katies Mutter?«
»Nein.«
»Sie heißt Joan. Sie zuckt immer so zurück, als hätte sie Angst, dass er sie schlägt.«
»Habt ihr eine Verbindung zwischen den Mädchen gefunden?«
»Sie waren beide häufig in der Shopping-Mall.«
»Ist das alles?«
Claire zuckte die Achseln. Sie sah furchtbar aus. Die Haut war noch straffer gespannt. Außerdem schien sie seit gestern fünf Kilo abgenommen zu haben. Beim Gehen wankte sie so stark, dass man Angst hatte, ein kräftiger Windstoß könnte sie umwerfen. »Sie haben in der High School zur gleichen Zeit Mittag gegessen. Außerdem hatten sie in den letzten vier Jahren einen Kurs zusammen – Sport bei Mr Valentine. Das ist alles.«
Myron schüttelte den Kopf. »Du hast eben gesagt, dass dir noch was anderes aufgefallen ist?«
»Die Mutter, Joan Rochester.«
»Was ist mit ihr?«
»Man sieht das auf den ersten Blick gar nicht, weil sie die ganze Zeit zusammengesunken dasitzt und ängstlich guckt.«
»Was sieht man nicht?«
»Sie hat Angst vor ihm. Vor ihrem Mann.«
»Na und? Ich bin ihm begegnet. Ich habe auch Angst vor ihm.«
»Ja, klar, aber pass auf. Sie hat Angst vor ihm, aber sie hat keine Angst um ihre Tochter. Ich kann das nicht beweisen, aber so wirkt es jedenfalls. Erinnerst du dich noch, wie meine Mutter damals Krebs hatte?«
Das war im zweiten High-School-Jahr gewesen. Ein halbes Jahr später war die arme Frau gestorben. »Natürlich.«
»Ich habe damals andere Teenager kennen gelernt, die ähnliche Sachen durchgemacht hatten. In einer Selbsthilfegruppe für Angehörige von Krebskranken. Einmal haben wir ein Picknick veranstaltet, zu dem man auch andere Freunde mitbringen konnte. Das war ganz seltsam – man hat genau gemerkt, wer die Quälerei durchgemacht hatte, und wer nur ein Freund war. Man wusste sofort, wenn man einen Leidensgenossen vor sich hatte. Die
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