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Ein verruchter Lord

Ein verruchter Lord

Titel: Ein verruchter Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celeste Bradley
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den Kopf in den Nacken, ließ sich von Jack im Kreis herumwirbeln.
    » Sing mit « , drängte Jack sie.
    Laurel lachte und schaute weg. » Niemals. «
    » Bitte! Melody hat gesagt, du hättest so eine schöne Stimme. « Er schaute sie bewundernd an, genau wie sie es sich einst erträumt hatte. » Ich möchte dich singen hören « , bat er heiser.
    Diesem intim-vertraulichen Ton, den er da anschlug, konnte sie sich trotz allem, was geschehen war, nicht widersetzen. Fast automatisch öffneten sich ihre Lippen und formten die Worte zu der kleinen, sentimentalen Melodie. Erst schüchtern, dann mit wachsendem Selbstbewusstsein. Laurel sang ein melancholisches Liebeslied, das ihr eigenes Schicksal wiederzugeben schien.
    Alas, my love, you do me wrong
    To cast me off discourteously.
    And I have loved you oh so long,
    Delighting in your company.
    O weh, mein Lieb’, tust Unrecht mir
    Grob fortzustoßen mich im Streit.
    So lange hielt ich treu zu dir,
    Voll Glück an deiner Seit’.
    Sie bemerkten nicht einmal, als die Melodie verklang und die ersten Kerzen flackernd verloschen. Sie tanzten sogar noch, als der Mond hinter einer Wolke verschwand und sie in tiefes Dunkel getaucht waren. Einander in den Armen haltend und in den Augen des anderen ertrinkend.
    Unten im Club war derweilen Ruhe eingekehrt. Die Bewohner hatten sich auf ihre Zimmer begeben, und Wilberforce absolvierte den letzten seiner täglichen Rundgänge, diesmal begleitet von Bailiwick. Im Salon entdeckte er einen frischen Kratzer im Holzparkett und beäugte ihn kritisch.
    Bailiwick trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. » Es waren die Sporen, Mr. Wilberforce. «
    » Das sehe ich, Bailiwick. Ich frage mich bloß, ob es die von Master Evan sind oder vielleicht … « Er brach ab und wartete.
    » Möglicherweise waren es meine, Mr. Wilberforce « , sagte Bailiwick kleinlaut.
    Der Majordomus nickte zufrieden, obwohl er genau wusste, dass den Lakai keine Schuld traf. Die Sporen, die mit Mühe für seine riesigen Stiefel besorgt worden waren, hingen ladenneu im Stall, ebenso die Gerte. Beides war sowieso überflüssiger Zierrat, denn weder Bailiwick noch Evan würden ihre geliebten Vierbeiner jemals mit so etwas traktieren. Allerdings trug Evan die Dinger zumindest, und deshalb stammte der Kratzer zweifelsfrei von ihm.
    Nein, Wilberforce ging es um etwas ganz anderes. Er wollte den jungen Mann prüfen, ob er sich der primären Aufgabe seines Berufs bewusst war. Die bestand nämlich seiner Überzeugung nach darin, sich als guter Diener zu erweisen. Und indem er die Schuld auf sich nahm, hatte Bailiwick genau das getan. Wilberforce hielt Dienen für eine uralte und nahezu heilige Bestimmung. Dazu für eine Kunst und eine Wissenschaft, in der er selbst Meisterschaft erlangt hatte.
    Wohlwollend bedachte er den jungen Mann jetzt mit dem höchsten Lob, das er zu vergeben hatte. » Das wäre es dann, Mr. Bailiwick. «
    Daraufhin wandte er sich ab und ging davon, um nachzusehen, ob auch in den oberen Regionen seines Reiches alles in Ordnung war.
    Als er durch die Tür trat, die zum Speicher hinaufführte, konnte er nichts Auffälliges entdecken. Mit seiner Kerze leuchtete er den Hauptraum aus, der ihm so auszusehen schien wie immer. Schon überlegte er, ob er Samuel, dessen Benehmen bisweilen zu wünschen übrig ließ, hier heraufschicken sollte, um sämtliche alten Möbel zu entstauben und gründlich zu putzen, doch dann wurde seine Aufmerksamkeit von etwas anderem in Anspruch genommen. Über den verstaubten Fußboden zog sich eine Spur – ein Pfad, der vom oberen Ende der Treppe direkt zum Trockenspeicher führte, wo die unglückliche Lady Madeleine Whittaker einst gefangen gehalten worden war. Bevor sich alles zum Guten wendete und sie Lord Blankenship heiratete. Seine Vermutung, dass die kleine Melody sich hier herumtrieb, traf also zu.
    Während er den Raum durchquerte, tastete Wilberforce in seiner Westentasche nach dem Generalschlüssel, aber die Tür stand offen. Das Kind hatte offenbar vergessen abzusperren. Wilberforce trat ein. Kaum jemand erlebte ihn einmal überrascht – nach so vielen Jahren als Majordomus eines Clubs konnte ihn so gut wie nichts erschüttern. Was er jetzt allerdings zu sehen bekam, war ein regelrechter Schock für ihn.
    Wilberforce rieb sich die Augen – ihm kam es vor, als habe er die Tür zu Alibabas Schatzhöhle geöffnet. Das war nicht das Versteck eines Kindes, erkannte er sogleich, denn in der ehemals tristen Kammer fanden

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