Ein Versprechen aus Afrika
von Limoges mit einem Beifallssturm belohnt. Alle Mallets klatschten einhellig. Einer von ihnen, der etwas kühner war als die anderen, ergriff das Wort.
»Wären Sie einverstanden, die Leitung eines >Interessenverbands der Mallets< zu übernehmen, Prinzessin Ayoubi?«
»Ich weiß nicht, ob ich einer solchen Verantwortung gewachsen bin.«
Nachdem sich Prinzessin Ayoubi etwas geziert hatte, willigte sie ein, sodass man gleich zur Ausarbeitung der Verbandsstatuten schritt. Sie schlug vor, auf die Fachkenntnisse eines Anwalts, Monsieur Barbeau, zurückzugreifen, dessen Dienste sie sich bereits versichert hatte. Nur vergaß sie dabei zu erwähnen, dass dieser Mann aus der Anwaltskammer von Paris ausgestoßen worden war.
Der erste Punkt, die Höhe des Mitgliedbeitrags, stieß auf keine Schwierigkeiten. Er wurde auf zehn Franc im Jahr festgesetzt, etwas weniger als fünfzehn Euro. Nach allgemeiner Auffassung war das eine bescheidene Summe, die auch alle gleich bei ihrer frisch gebackenen Präsidentin entrichteten.
Anschließend unterhielt man sich in fröhlicher, lockerer Stimmung über die Aufteilung der Erbschaft. Keiner versuchte mehr zu ergattern als der andere. Allerdings beschloss man, einen Stammbaum zu erstellen, um herauszufinden, ob manche Nachkommen näher mit Joseph Jean-Pierre verwandt waren als andere. Einige kamen sogar auf ausgesprochen originelle Ideen.
»Wie wär’s, wenn wir einen Hilfsverein gründen würden?«
»Wozu denn das?«
»Alle Mallets hätten dann Anrecht auf Ermäßigungen in öffentlichen Verkehrsmitteln und großen Warenhäusern.«
»Wir müssen uns zu einem großen Festessen treffen.«
»Wo denn?«
»Natürlich in Saint-Victurnien, dem Geburtsort von Joseph Jean-Pierre.«
»Und anschließend gibt es einen Ball.«
»Und die Wahl einer Miss Mallet!«
Gisèle Youbi konnte es kaum fassen. Es kamen praktisch keine Fragen zur Echtheit ihrer Geschichte, die sie sich doch ganz und gar aus den Fingern gesaugt hatte. Die Leute waren so glücklich über die Nachricht von der Existenz eines sagenumwobenen Vorfahren, dass sie sie nicht in Zweifel zogen. Übrigens köderte sie weniger die Habgier als das Vergnügen, alle zusammen zu sein. Sie kamen aus allen Ecken Frankreichs und gehörten allen sozialen Schichten an, und trotzdem vereinte sie ein starkes Band: Sie waren Vettern, fast schon Brüder. Sie waren alle Mallets.
Und es funktionierte auch weiter. Ende 1961 zählte der Verband schon dreitausend Mitglieder, die alle ihren Beitrag von zehn Franc entrichtet hatten. Damit hatte Prinzessin Ayoubi ihre Ausgaben für Briefmarken reichlich erstattet bekommen. Ende 1962 waren es achttausend. Damals fand der schönste Moment dieses Abenteuers statt, nämlich das große Festmahl, von dem man schon auf der Gründungsversammlung gesprochen hatte.
An Weihnachten unternahmen die Mallets eine Pilgerfahrt auf den Hügel von Saint-Victurnien, wo das Geburtshaus ihres Ahnen Joseph Jean-Pierre stand. Es waren fast tausend. Ein großes Ereignis, nicht nur für das Dorf, sondern auch für die ganze Gegend. Und am Abend, in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember 1962, fand das Festmahl statt, gefolgt von der lange geplanten Wahl einer Miss Mallet.
Diese verriet errötend ihren geheimsten Wunsch: »Meinen Namen nie ändern zu müssen und einen jungen, hübschen Mallet zu heiraten.«
Vertreter der lokalen und sogar der nationalen Presse waren gekommen, deren Fragen Prinzessin Ayoubi gelassen beantwortete.
»Warum findet sich in Saint-Victurnien keine Spur von der Geburt eines Mallet im Jahre 1759?«
»Ganz einfach. 1880 kam Konsul Giffils aus den Vereinigten Staaten nach Saint-Victurnien, um jede Spur von dem französischen Milliardär auszulöschen. In den damaligen Zeitungen kann man nachlesen, dass der Abgeordnete Labussière 1888 gegen diese amerikanische Einmischung protestiert hat.«
»In Amerika wird in wohlinformierten Kreisen behauptet, dass es unter den reichsten Familien keinen Mallet gäbe.«
»Natürlich! Die Amerikaner wollen das Geld selbst behalten. Darum haben wir den Interessenverband der Mallets gegründet. Sobald wir genug legale Beweise besitzen, werden sie bezahlen müssen.«
Die Zeit verstrich. Der Verband war jetzt gut eingespielt und funktionierte ausgezeichnet. Prinzessin Ayoubi zog alles ganz professionell auf: Eingaben bei öffentlichen Stellen, Pressekampagnen, Briefe an die Gerichtshöfe und den Präsidenten der Republik. 1965 zahlten über vierzehntausend
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