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Ein Versprechen aus Afrika

Ein Versprechen aus Afrika

Titel: Ein Versprechen aus Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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der Hunderennbahn von White City in der Nähe von London brach an jenem 8. Dezember 1948 die Nacht herein. Die Scheinwerfer brannten. In wenigen Minuten, genau um achtzehn Uhr, sollte der Preis der Königin stattfinden, eines der renommiertesten Rennen des Jahres. An diesem ungewöhnlichen Wettlauf nahmen nur sechs Windhunde teil. Die Spannung im Publikum stieg. Hohe Wetten wurden abgeschlossen und hitzig wurde über die Chancen jedes einzelnen Hundes diskutiert.
    John Lamberth, der Direktor der Hunderennbahn, befand sich in Begleitung einiger bedeutender Gäste in der Ehrenloge. Er war, wie es sich gehörte, ein eleganter Herr: grauer Gehrock, Nelke im Knopfloch, gewählte Sprache...
    In diesem Augenblick näherte sich ihm diskret der Chefkassierer der Rennbahn. Er machte durch leichtes Hüsteln auf sich aufmerksam und wirkte sehr besorgt. »Herr Direktor, könnten Sie kurz mitkommen? Es ist etwas passiert.«
    Der Direktor war überrascht und richtete einige Worte der Entschuldigung an seine Gäste. Dann folgte er seinem Angestellten. Als sie außer Hörweite waren, gab ihm der Angestellte die Geschehnisse preis: »Es ist unglaublich, die Wettquote für White Spirit ist auf einen Schlag gesunken. Sie ist von 20 auf 5: 1 gefallen. Ich dachte, das sollte ich Ihnen unbedingt sagen.«
    John Lamberth runzelte die Stirn. Ja, tatsächlich, das war seltsam, ja sogar verdächtig... Von den sechs Windhunden hatte White Spirit, ein wunderbares weißes Tier, die schlechteste Wettquote. Er galt als Außenseiter. Das dramatische Sinken seiner Quote hatte zur Folge, dass in letzter Minute große Wetten auf ihn abgeschlossen wurden. Es war das erste Mal, dass so etwas geschah.
    John Lamberth zögerte nicht. Er durfte kein Risiko eingehen. Wenn irgendeine Schummelei im Spiel war, musste er sie jetzt aufdecken, denn wenn das Rennen erst einmal in Gang war, war es zu spät, so lautete die Regel.
    Er verschob den Beginn des Rennens um eine Viertelstunde. Während im Publikum Rufe der Enttäuschung und der Überraschung zu hören waren, lenkte er seine Schritte zum Hundezwinger, um nachzusehen, wie es hier aussah.
    Der Zwinger war ein lang gestrecktes Betongebäude. Der Direktor entdeckte William, den Wärter, auf seinem Posten vor der einzigen Tür des Baus.
    »William, alles in Ordnung?«
    Der Wärter erwiderte etwas überrascht: »Natürlich, Herr Direktor.«
    »Ist hier niemand aufgetaucht, haben Sie nichts Auffälliges entdeckt?«
    »Nein.«
    »Gut, ich werde nach den Tieren sehen.«
    John Lamberth folgte dem Wärter in den Hundezwinger. Auf beiden Seiten des Gangs befanden sich zwei Reihen von Käfigen. Insgesamt waren es zehn. Der Direktor beugte sich zum ersten hinunter. Der Wärter öffnete ihm die vergitterte Tür. Ein schöner weißer Windhund lief ihm entgegen und wedelte mit dem Schwanz. John Lamberth, ein Spezialist für Hunderassen, untersuchte ihn sorgfältig. Er befühlte seine Pfoten, die Schnauze, untersuchte seine Augen und seinen Atem. Das Tier war nicht durch irgendwelche Doping-Mittel beeinflusst, das hätte er schwören können. Dann ging er zu den anderen Hunden. Vielleicht hatte man ihnen Drogen verabreicht, ein Schlafmittel oder etwas Ähnliches. Doch selbst wenn man sich mit Hunden nicht auskannte, stand eindeutig fest, dass sie sich alle bester Gesundheit erfreuten und vor Ungeduld zitterten, endlich ins Rennen zu gehen.
    John Lamberth verließ unverzüglich den Hundezwinger, schließlich durfte er keine Zeit mehr verlieren. Draußen wurden die Zuschauer allmählich ungeduldig. Er kehrte zur Ehrentribüne zurück, entschuldigte sich bei seinen Gästen und nahm Platz, um sich den Preis der Königin anzuschauen.
    Um achtzehn Uhr fünfzehn war der feierliche Augenblick endlich gekommen. Die Tiere hatten den Zwinger verlassen und warteten auf der Startlinie in den Käfigen, die alle gleichzeitig aufspringen sollten. Dann schoss ein mechanischer Hase auf einer Schiene über die Bahn und die Hunde rannten ihm hinterher. So nämlich läuft ein Windhundrennen ab. In Frankreich stellt es ein außergewöhnliches Schauspiel dar, aber auf der anderen Seite des Ärmelkanals ist es durchaus vertraut.
    Die Hunde näherten sich der ersten Kurve. An der Spitze liefen die fünf braunen Windhunde. White Spirit, der von allen Experten als schwächster angesehen wurde, folgte mit einigen Längen Abstand.
    Und genau dann geschah das Unglaubliche. In der Menge ertönte lautes Geschrei. Danach folgte eine beeindruckende Stille.

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