Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)
Augen« geerbt. Die wenigstens mussten doch sexy sein, oder? Leute sagten ihr ständig, sie solle Model werden, und wenn sie Mut hätte, würde sie das wahrscheinlich tun. Sie sollte das College verlassen (obwohl ihre Mutter sie dann wahrscheinlich umbringen würde), nach London ziehen und sich bei einer Agentur anmelden. Das konnte doch nicht so schwierig sein.
Aber sie würde es nicht tun. Ginny versuchte zu schlucken und spürte den gewohnten Kloß in der Kehle. Sie würde es nicht tun, weil sie so etwas einfach nicht tun konnte. Sie würde zur Uni gehen müssen, weil … na ja, weil alle das von ihr erwarteten.
Schnipp, schnipp. Ben betrachtete sie im Spiegel. Ginny wurde es heiß. Was stimmte bloß nicht mit ihr? Jetzt, wo er nicht mehr schwul war, konnte sie nicht mal mit ihm reden. Seine Finger streiften ihren Nacken, und eine Gänsehaut lief über ihren ganzen Körper, wobei sie, wie jeder hätte zugeben müssen, eine ziemlich lange Strecke zurücklegen musste. Also, war ihr jetzt heiß oder kalt oder was? Alter Finne, wahrscheinlich »oder was«.
Zum millionsten Mal fragte sie sich, wie es wohl war. Wie war es, wenn man es machte? Es richtig mit einem Jungen machte? Die meisten ihrer Freundinnen hatten wenigstens schon mehr oder weniger ernsthaft herumgeknutscht; Becca hatte es schon gemacht. Aber Becca war Mums Meinung nach auch ein wenig freizügig. Oder, wie Mum sich ausgedrückt hatte, ordinär . Sie war nicht dünn, ganz im Gegenteil, aber dafür hatte sie etwas, was Ginny sich mehr als alles andere wünschte, sogar noch mehr als Bens Hände auf ihrem Hals, wenn auch nicht mehr, als dass die Kugel verschwand: Brüste.
Ginny hatte eine private Theorie, dass ernsthaftes Herumknutschen intimer war, als es richtig zu machen, aber sie wollte das nicht laut sagen. Es konnte ja sein, dass es noch etwas gab, was sie nicht wusste. Aber solange man noch nicht beides gemacht hatte … War sie eigentlich unter den Mädchen ihres Alters in Pridehaven das einzige, das noch Jungfrau war? Manchmal hielt sie das für sehr wahrscheinlich. Und es war ihre eigene Schuld, weil sie sofort wegrannte, sobald sie nur den Hauch einer Gelegenheit bekam. Es war einfach so, dass alle Jungs … Nun, sie stand eben auf keinen von ihnen.
Sie mochte sich wirklich nicht bildlich vorstellen, wie Becca … Aber andererseits konnte man manchmal, wenn man Becca ansah, nicht anders. Das war es wahrscheinlich, was ihre Mutter gemeint hatte. Ginny wollte es dennoch hinter sich bringen. Wahrscheinlich wollte sie es einfach wissen. Ahnungslosigkeit war so bemitleidenswert.
»Vielleicht«, sagte Ben, als hätte er ihre Gedanken gelesen, »könnten wir beide ja mal was trinken gehen.«
Hatte er sie gerade um eine Verabredung gebeten? Dieser traumhafte Kerl, der einen Mund hatte wie Joker aus Batman und an dem sogar ein metallic-türkiser Eyeliner ausgesprochen männlich wirkte? Ginny versuchte, ruhig zu bleiben. Aber plötzlich hatte sie ein Gefühl, als hätte ihr jemand all das geschenkt, was sie sich auf der Welt am meisten wünschte, alles in einem einzigen, herrlichen Schwung – diese Jeans bei Top Shop, die sie sich nicht leisten konnte, Schokoladenkekse von M & S; Kentucky Fried Chicken im Brötchen und Eis mit Kuchenteiggeschmack. Okay, das waren größtenteils Sachen zum Essen, aber hey, das war ihr Problem, und sie würde damit schon klarkommen. Und all das hatte sie am Hide Beach bekommen, bei strahlendem Sonnenschein, an einem Tag, an dem sie keine Pickel im Gesicht hatte, ihren Zebra-Bikini trug und sich TOLL fühlte. Wenn nur …
»Yeah«, gab sie zurück. »Könnten wir wohl.«
Er schnitt einen kleinen Zacken an ihrem Pony ab. »Cool. Lass uns mal die Handynummern austauschen.«
»Okay.« Ginny sah zu, wie er ihr Haar mit den Fingern auflockerte. »Ich gebe bald eine Fete«, fügte sie plötzlich hinzu. Ihre Mutter hatte ihr erst gestern Abend gesagt, dass sie verreisen würde. Aber wie lange brauchte man schon, um eine Party zu planen? In diesem Fall ungefähr zwanzig Sekunden.
»Kommst du auch zurecht, Ginny?«, hatte ihre Mutter gefragt. »Es ist nur für eine Woche. Nonna und Pops wohnen in unserer Straße, und Lisa ist gleich nebenan. Wenn du nicht allein sein willst, kannst du auch bei Nonna übernachten.«
Na toll. Was glaubte sie, wie alt Ginny war? Zehn? Sie liebte es, das Haus für sich zu haben, obwohl das nicht oft vorkam. Ihr Problem würde ja gerade sein, dass Nonna und Pops in ihrer Straße wohnten
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