Ein Vollidiot kommt selten allein! - Rick ; Bd. 4
linkes Auge sah.
Aber das funkelte dermaßen zornig, dass ich in einer Panikaktion
einfach die Haustür aufriss.
Helena stürmte im Nu hinaus, was bei Mary zu Schnappatmung
führte. »Um Himmels willen«, keuchte sie. »Ihr
müsst sie aufhalten!«
Ich stand noch wie am Boden festgefroren da, als Finn
sich schon im Hechtsprung auf die fliehende Bulldogge
warf und sie mit beiden Armen fest umschlang.
Mary presste sich vor Erleichterung die Hand aufs Herz.
»Rick, oh, Rick«, schnaufte sie. »Warum machst du denn
die Tür auf? Was meinst du, was passiert wäre, wenn die
Schrulle aus der Heckmeck-Gasse Helena zu packen gekriegt
hätte!«
Ähm … keine Ahnung.
Sofort tischte meine Oma mir eine ziemlich abgefahrene
Theorie auf. Sie war immer noch felsenfest davon überzeugt,
dass in der kleinen Seitenstraße gleich bei uns um
die Ecke eine alte Frau mit dem Feldstecher am Fenster
hockte und nur darauf wartete, dass Helena auftauchte …
um sie abzumurksen!
»Das ist nicht dein Ernst!«, meinte Finn.
Oooh doch! Meine Oma war ganz sicher, dass es sich bei
der harmlosen Vogelbeobachterin (Pas Meinung) um diejenige
handelte, die uns den Drohbrief samt braunem Hundekotumschlag
geschickt hatte.
»Ich sag’s euch, Jungs«, raunte Mary uns mit bestürztem
Gesichtsausdruck zu. »Diese Schildkröte mit Unterbiss
wartet nur auf die passende Gelegenheit. Die sitzt den
ganzen Tag am Fenster, den Feldstecher und die geladene
Schrotflinte neben sich, und wartet dort auf meine arme
Helena.«
»Echt?«, hauchte Finn. Er glotzte, als ob man ihm seinen
Lieblingsstrickpullunder weggenommen hätte.
Aber mir ging’s auch nicht anders. Das war doch total
verrückt! Oder nicht?
Brrr, brrr, oberbrrr! Im Haus war es inzwischen
so kalt, dass selbst die Eiszapfen Mützen trugen. Ich war
gerade dabei, mir das fünfte Paar Socken überzuziehen, als
Mary ihren Kopf zur Tür hereinsteckte.
»Rick, Lotte Sieger hat eben angerufen und mich zu Kaffee
und Kuchen eingeladen. Möchtest du mit?«
Der Gedanke an die beheizte Wohnung von Marys ehemaliger
Nachbarin war zwar ziemlich verlockend, trotzdem
schüttelte ich den Kopf. Kaffeekränzchen waren echt
nicht mein Ding.
»Na gut, Finn wollte auch lieber hierbleiben. Er bastelt
gerade Weihnachtsgeschenke. Und Philipp müsste ja bald
nach Hause kommen.« Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr
und schüttelte den Kopf. »Komisch, eigentlich
wollte er spätestens um drei hier sein. Na ja, es ist ihm wohl
was dazwischengekommen.«
Von wegen … Mein Vater hatte bestimmt nur keinen
Bock auf steife Zehen und abgefrorene Ohrläppchen!
»Ich düse dann los!« Mary winkte mir zu. »Hab bitte ein
Auge auf Gismo, Rick! Der kommt mir heute so komisch
vor. Vielleicht steckt ihm der kleine Streit mit Helena noch
in den Knochen. Nicht dass Wutz am Ende wieder mit ihm
zum Katzenpsychiater muss.«
»Wieso immer ich?«, maulte ich. Nach dem Stress vorhin
hatte ich gerade wenig Lust auf den Furzer. Aber als
Mary meinte, dass Wutz sich die Sache mit dem Einzug in
die Dachgeschosswohnung sonst vielleicht wieder anders
überlegte, gab ich schnell nach. Dass Wutz bald hier wohnen
würde, war zurzeit nämlich der einzige Lichtblick in
meinem Leben. Und die Sache würde ich ganz bestimmt
nicht versauen. Im Leben nicht!
Um halb fünf war Pa noch immer nicht zu Hause. Typisch
mein Vater, hockte im kuschelig warmen Präsidium und
interessierte sich null dafür, dass sein einziger Sohn mit
Eiszapfen an der Nasenspitze dem unausweichlichen Erfrierungstod
entgegenschlitterte.
Und Linda war auch nicht viel besser. Angeblich musste
sie noch ganz dringend bei einer Freundin die Flyer für die
Eröffnung ihrer Heilpraktikerpraxis entwerfen, erzählte
Finn mir.
»Und das glaubst du ihr?!« Ich schaute auf die Uhr an
seiner Zimmerwand. »Seit drei Stunden entwerfen die irgendwelche
Flyer. Klar doch.«
Finn nickte. »Das dauert eben.« Aber ganz so überzeugt
hörte er sich dabei nicht mehr an.
Ich witterte meine Chance, Finn ein bisschen zu verarschen.
Außerdem war der alte Weihnachtsstreber tatsächlich
wie wild am Basteln. Und zwar Geschenke für
Pa, Linda, Mary und Wutz – selbst für Gismo und Helena
wollte er etwas zusammenzimmern. Verdammter Christmas-Horror!
Abgesehen davon, dass ich Selbstgebasteltes
oberpeinlich fand, war Finn mir damit auch um Lichtjahre
voraus. Ich hatte weder Basteltalent noch Ideen, Bock und
Geld für irgendwelche Weihnachtsgeschenke!
»Schnallst du es nicht?!«, stichelte ich
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