Ein vortrefflicher Schurke (German Edition)
Innenministeriums! Sie konnte es immer noch nicht fassen.
Minerva merkte sich die Stelle, wo er in den Wald gegangen war, und wollte gerade auf ihr Pferd steigen, als plötzlich jemand hinter ihr sagte: »Na, wenn das nicht meine geschätzte Cousine Minerva ist!«
Mit einem flauen Gefühl in der Magengrube nahm sie den Fuß aus dem Steigbügel und drehte sich um. Ihr Vetter Ned trat ihr entgegen und musterte sie voller Argwohn. Ein Stück hinter ihm stand sein Pferd. Er musste abgestiegen sein, als er sie gesehen hatte, damit sie ihn nicht bemerkte. Das war kein gutes Zeichen.
»Ned!«, rief sie und bemühte sich, erfreut zu klingen. »Wie schön, dich zu sehen! Was machst du denn hier?«
»Das wollte ich dich gerade fragen.« Sein Blick fiel auf die Pferde. »Bist du nicht inzwischen verheiratet und wohnst in einem großen Haus in London?«
»Deshalb kann ich doch trotzdem einen Ausflug hierher unternehmen, oder etwa nicht?«
Er sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. »Ist es nicht ein bisschen weit von London bis hierher? Und wo steckt dein Mann?«
Wusste er, dass Giles auch da war und sich auf die Suche nach Desmond gemacht hatte? Wenn sie log und behauptete, sie wäre mit jemand anderem gekommen, und er hatte Giles gesehen, würde er wissen, dass etwas im Gange war.
Es war besser, kein Risiko einzugehen. »Er sucht ein hübsches Plätzchen für unser Picknick, während ich mit den Pferden warte. Giles sagte, hier in der Nähe sei ein Teich.«
»Das stimmt. Aber du hast gar keinen Picknickkorb dabei.«
»Den hat er schon mitgenommen«, entgegnete sie geistesgegenwärtig.
»Wieso sollte er den Korb mitschleppen, da er ihn bei dir hätte lassen können? Und warum wolltest du gerade aufsteigen und davonreiten?«
Weil ihr keine gescheite Ausrede einfiel, ging sie zum Gegenangriff über. »Ich verstehe nicht, warum du mir so viele unhöfliche Fragen stellst«, erwiderte sie und bemühte sich, einen überheblichen Ton anzuschlagen. »Das ist mein Zuhause, und ich kann herkommen, wann ich will, und tun, was ich will. Wenn du mich also jetzt entschuldigst, werde ich nachsehen, wohin Giles verschwunden ist.«
Doch bevor sie sich entfernen konnte, packte Ned sie und hielt ihr ein Messer an die Flanke. »Ich glaube nicht, Minerva.«
Ihr zog sich der Magen zusammen. »Ned«, sagte sie energisch, »was um alles in der Welt tust du da? Nimm das Messer weg! Um Himmels willen, ich bin deine Cousine!«
»Ja, und was hat mir das bisher gebracht? Vater und ich haben die Chance, die Spinnerei zu retten, und die werden wir uns von dir nicht nehmen lassen.«
»Aber ich will euch doch gar nichts nehmen«, erwiderte sie. Sie konnte sich nicht gegen ihn zur Wehr setzen, denn er hatte eine Waffe und sie nicht. Er würde ihr das Messer zwischen die Rippen rammen, bevor sie auch nur schreien konnte. »Mir ist völlig egal, warum du hier bist. Du kannst tun, was du willst, wenn du mich nur gehen lässt, damit ich meinen Mann suchen kann.«
»Wir werden ihn zusammen suchen. Inzwischen hätte er längst vom Teich zurück sein müssen. Also nehme ich an, er ist woandershin gegangen. Und ich denke, das weißt du.«
Oh, nein! Gott allein wusste, wie Giles reagieren würde, wenn er sah, dass Ned sie mit einem Messer bedrohte! »Wir wollen doch keine Scherereien, Ned. Lass mich einfach die Pferde nehmen und …«
»Sei still, verdammt! Und setz dich in Bewegung!« Er drückte ihr das Messer in den Rücken und trieb sie in den Wald. Sie dachte daran, absichtlich zu stolpern, um sich zu befreien, aber es war zu gefährlich. Wie leicht konnte sie dabei erstochen werden! Außerdem lenkte ein Handgemenge Giles womöglich ab, während er mit Desmond befasst war.
In einiger Entfernung hörte sie Schaufelgeräusche. Desmond war also dabei zu graben, was bedeutete, dass Giles ihn noch nicht erreicht hatte. Sie musste ihm Zeit verschaffen. Sie konnten beide nur heil aus dieser Sache herauskommen, wenn Giles sich Desmond vorknöpfen konnte, bevor Ned und sie eintrafen.
Sie ging so langsam wie möglich und gab vor, Mühe zu haben, Steine, Äste und andere Hindernisse zu überwinden. »Was ist nur mit dir los, Ned? Was du tust, ist völlig absurd, und …«
»Ich sagte, du sollst still sein!«, zischte er und packte sie zu ihrem Entsetzen an der Taille und hielt ihr das Messer an den Hals. »Du hast dich schon immer in alles eingemischt«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Und dann musstest du der Familie auch noch mit deinen verdammten
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