Ein vortrefflicher Schurke (German Edition)
es zu viele Verbrechen, die ungestraft bleiben, und zu viele Menschen, die zu Unrecht bestraft werden.«
»Bravo, Mr Masters!«, rief Maria. »Die können von Glück sagen, Sie zu bekommen!«
Dieser Meinung war auch Minerva. Giles hatte die bemerkenswerte Fähigkeit, Verbrechen sehr gründlich zu untersuchen und Dinge ans Licht zu bringen, die von anderen übersehen wurden.
»Ich verstehe nur nicht, warum der jüngere Mr Lancaster nicht erkannt hat, was sein Liebchen im Schilde führte«, sagte Maria. »
Wollte
er etwa seinen Bruder hängen sehen?«
»Nein, doch es kam ihm nicht in den Sinn, dass sie irrige Vorstellungen haben könnte«, antwortete Giles. »Alle, die mit dem Fall zu tun hatten, wussten, welche Strafe auf Mord steht – und sie nahmen einfach an, Miss Tuttle wisse es auch. Anwälte vergessen oft, dass der Durchschnittsbürger sich nicht mit dem Gesetz auskennt.«
»Mr Masters sagt immer, man darf nie vergessen, dass die Leute meist dümmer sind, als man denkt«, warf Mr Jenks ein.
»Ist das nicht reichlich zynisch?«, fragte Minerva.
Giles zuckte mit den Schultern. »Vielleicht. Aber du kennst den Teil der Menschheit nicht, mit dem ich täglich in Berührung komme: erfahrene Glücksspieler, die von Falschspielern hereingelegt werden; Ladenbesitzer, die von Betrügern genarrt werden; junge Frauen, die von schmeichelnden Schurken entehrt werden. Letzte Woche hatten wir sogar einen Bigamisten auf der Anklagebank. Er hat acht Jahre lang zwei völlig unterschiedliche Leben geführt und zwei Familien ernährt, ohne dass die eine etwas von der anderen wusste. Sein Geschäftspartner hat das Verbrechen schließlich aufgedeckt. Alle diese Leute haben törichterweise Personen vertraut, denen sie nicht hätten vertrauen sollen.«
»Oh, aber jetzt verwechseln Sie Dummheit mit Liebe«, wandte Maria ein. »Miss Tuttle war blind vor Liebe. Die Frauen, die von Schurken entehrt wurden, und die Frauen des Bigamisten, sie alle haben vertraut, weil sie liebten. Es ist entsetzlich, dass ihre Liebe verraten wurde.«
»
Blind
ist hier das Schlüsselwort«, entgegnete Giles. »Deshalb wird die Liebe so oft verraten. Jeder, der ein bisschen Verstand hat, sollte sich nicht von der Liebe blenden lassen.«
Mr Jenks hielt sich an der Armlehne fest, als die Kutsche eine scharfe Kurve nahm. »Zu diesem Thema sagt Mr Masters immer, dass Liebe nur etwas für Narren und Träumer ist. Und dass die Einzigen, die davon profitieren, Blumenhändler und Verkäufer von Valentinstag-Geschenken sind.«
»Du bist wirklich ein Romantiker, Giles!«, bemerkte Minerva zuckersüß.
Giles zog die Luft durch die Zähne ein. »Mr Jenks, habe ich versäumt zu erwähnen, dass Minerva meine Verlobte ist?«
Mr Jenks wurde puterrot. »Oh, Sir, tut mir furchtbar leid, ich …«
»Schon gut«, beschwichtigte ihn Minerva. »Die Verbindung, die Mr Masters und ich eingegangen sind, ist eher praktischer Natur.«
»Ist sie das?« Giles streifte ihren Fuß mit seinem, als wollte er sie an die weniger praktische Seite ihrer Verbindung erinnern. »Und ich dachte, du bist völlig verrückt nach mir.«
»Ich finde ja, Liebe ist wie das Fleisch in einer Pastete«, meldete Freddy sich zu Wort. »Der Teigmantel ist das, was man von außen sieht: die praktischen Dinge, die ein Paar zusammenhalten. Aber die Liebe ist das Wichtigste – ohne die Füllung hat man eine fleischlose Pastete. Und wozu soll so etwas schon gut sein?«
»Du liebe Güte, Freddy«, murmelte Minerva, »das war ja richtig philosophisch!«
»Wenn es um Pasteten geht, läuft Freddy zur Höchstform auf«, bemerkte Maria. Dann wurde sie nachdenklich. »Doch ich würde sagen, die Liebe ist wie das Meer. An der Oberfläche mag es manchmal aufgewühlt sein oder stürmisch, es mag regnen, blitzen und donnern, doch wenn man in die Tiefe hinabtaucht, wo das Wasser immer ruhig ist, kann man wunderbar schwimmen.«
Nach diesen Worten breitete sich Schweigen in der Kutsche aus.
Dann warf Giles Maria ein verschmitztes Lächeln zu. »Wenn man ein Delfin ist.«
Alle lachten.
Bis auf Minerva. Sie wusste nicht so recht, was sie von der Liebe halten sollte, aber sich darüber lustig machen wie Giles konnte sie nicht. Weil ein Teil von ihr immer noch daran glaubte, dass es die Liebe wirklich gab, dass sie so wunderbar und besonders war, wie Maria es dargestellt hatte.
Ein Teil von ihr wünschte, sie könnte es mit Giles erleben.
Was natürlich unmöglich war. Er war ein praktisch veranlagter Mann, und
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