Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
erobern.
Er hat mich die ganze Zeit nur benutzt, denke ich, während ich die Straße entlangstolpere und die kalte Luft mich in die Wangen beißt und mir in den Augen brennt. Er wollte nicht mich, es ging ihm nur um Hardy’s. Ich kam ihm bloß gelegen als Spion, habe ihm alles erzählt, über den Laden und was man tun müsste, damit er wieder läuft. Mir wird speiübel, als mir aufgeht, was ich daangerichtet habe. Mit meinen Versuchen, Hardy’s zu retten, habe ich letztendlich nur dazu beigetragen, dem alten Kaufhaus den endgültigen Todesstoß zu versetzen.
Wieder stolpere ich auf meinen hohen Hacken, und mit tränenüberströmtem Gesicht ziehe ich mir die blöden Schuhe aus, in denen ich mich größer gefühlt habe, hübscher und selbstbewusster – mehr wie Carly –, und lasse sie einfach achtlos hinter mir auf den Bürgersteig fallen, um dann auf bestrumpften Füßen weiter die Straße hinunterzulaufen. Die Schuhe brauche ich jetzt nicht mehr.
Und dann fängt es an zu schneien.
Fünfunddreißigstes Kapitel
I m Pub ist jede Menge los. Rings um mich herum plappern alle aufgeregt über unsere nächste Umgestaltungskampagne, aber ich schaffe es kaum, mich an dem Gespräch zu beteiligen. Ich versinke langsam in einem diffusen alkoholischen Nebel und suche verzweifelt nach Worten, um ihnen zu erklären, was heute passiert ist und dass sie alle meinetwegen ihre Arbeit verlieren werden.
»Was ist denn los, Evie, Darling?«, fragt Lily und greift über den Tisch nach meiner Hand. Alles verstummt und dreht sich zu uns um. »Du bist heute so seltsam. Liegt dir irgendwas auf der Seele? Ich meine, der Laden kann es nicht sein. Die Umgestaltungen sind ganz wunderbar angekommen, und die Zeitungsberichte, also, wer hätte das gedacht?«
»Ist das nicht WUNDERDAR?«, ruft Velna, hebt ihr Glas und hickst leise.
»Wir sollten anstoßen«, meint Felix und steht auf.
»Aber wir müssen auf Sam warten«, sagt Lily und schaut sich im Pub nach ihm um. »Wo steckt der eigentlich?«, fragt sie und nippt an ihrem Martini.
»Der kommt nicht mehr«, erkläre ich matt. »Er hatte schon … eine andere Verabredung.«
»Ohhh, neeeein!« Velna macht ein Gesicht, als wolle sie gleich weinen, und ihre rosaroten Haare hängen herunter wie schlapper Schnittlauch. Selbst Justyna wirkt enttäuscht oder womöglich auch wütend; bei ihr ist das schwer zu sagen, weil sie immer sofinster aus der Wäsche guckt. Doch dann sehe ich, wie Jan Baptysta ihre Hand nimmt, worauf ihre durchgehende Augenbraue sich auf wundersame Weise zu teilen scheint, ihre Mundwinkel sich nach oben kräuseln, und ist das etwa …? Nein, das kann nicht sein, Moment mal, das ist doch ganz bestimmt … ein Lächeln? Wäre ich nicht gerade so fertig mit der Welt, mir wäre jetzt sicher ganz warm ums Herz.
Wobei ich ganz froh bin, dass auch die anderen der Meinung sind, ohne Sam sei unsere kleine Runde nicht komplett. Er versteht sich prima mit allen und ist immer optimistisch und gut gelaunt. Ich wünschte, er wäre hier. Er wüsste, wie ich den anderen verklickern kann, was heute passiert ist.
»Na ja, ist nicht weiter schlimm«, meint Lily und tätschelt mir die Hand. »Wir sehen ihn ja gleich morgen früh bei der nächsten Neugestaltung. Macht er wieder Fotos? Was willst du denn als Nächstes in Angriff nehmen? Felix hat nämlich schon wieder ein paar geniale Ideen, musst du wissen.« Liebevoll schaut sie zu ihm rüber, aber Felix winkt nur abwehrend mit der Hand und wird ein bisschen rot.
»Es gibt keine weiteren Umgestaltungen mehr«, sage ich dumpf und trinke einen großen Schluck Gin Tonic. Sofort schnattern alle durcheinander.
»Was?«
»Warum?«
»Ist Hardy’s schon über den Berg?«
»Her mit dem Champagner!«
»Sch! Sie hat uns was zu sagen! Wir haben es geschafft, stimmt’s, Evie? Stimmt’s?«, fragt Lily erwartungsvoll.
Ich stelle das Glas ab und schaue in all die eifrigen, hoffnungsvollen Gesichter und würde am liebsten losheulen. Ich weiß nicht, wie ich ihnen beibringen soll, dass all ihre harte Arbeit vergebens gewesen ist.
»Evie?«, sagt Lily und wischt mir eine einzelne Träne aus dem Gesicht. »Darling, was ist denn los?«
»Es tut mir leid«, schniefe ich. »Aber alles ist los.« Ich sehe sie an. »Es gibt keine weiteren Umgestaltungen mehr, weil es bald kein Hardy’s mehr gibt. Ich habe heute herausgefunden, dass Rumors uns aufgekauft hat. Alle unsere Mühe war umsonst. Es tut mir bloß so leid, dass ich euch in meine hirnrissige
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