Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
auf den richtigen Augenblick gewartet, um Hardy’s die langersehnte Weihnachtsrundumerneuerung angedeihen zu lassen, die der Laden so dringend braucht. Und einen besseren Augenblick als diesen wird es nicht mehr geben. Also räuspere ich mich und stehe auf und komme mir dabei vor wie ein Feldwebel, der seine Truppe zusammentrommelt.
»Wir müssen den ganzen Laden in ein Winterwunderland verwandeln, damit Sam Fotos machen und der Redaktion der Mail anbieten kann. Was bedeutet, diese Umgestaltung muss alle anderen in den Schatten stellen. Und sie muss noch heute Nacht passieren.« Ich schaue auf die Uhr und trinke mein Glas in einem Zug leer. Es ist beinahe neun. Es bleiben uns noch genau elf Stunden. »Also, wer kommt mit mir in den Laden?«
Niemand antwortet, und im ersten Moment glaube ich schon, ich hätte den Bogen überspannt. Aber dann hört man nur noch ohrenbetäubendes Stühlerücken, weil alle gleichzeitig aufspringen und aufgeregt schnatternd die Jacken anziehen. Behutsam nimmt Sam mich am Arm, und dann strömen wir alle gemeinsam lärmend aus dem Pub hinaus in den kalten – aber nun nicht mehr ganz so trostlosen – Winterabend.
Sechsunddreißigstes Kapitel
D er Laden wirkt gespenstisch still und dunkel, als wir alle uns durch den Personaleingang nach drinnen drängen. Draußen der Bürgersteig hat eine dünne Puderzuckerschneeschicht abbekommen, und die Temperaturen sind arktisch kalt. Alle zittern und schauen sich ausdruckslos um. Urplötzlich erscheint das Haus riesengroß und unser Grüppchen winzig klein. Die Angst, gar nicht zu wissen, was ich da eigentlich tue, will mich fast lähmen. Und die Tatsache, dass alle mich so erwartungsvoll anschauen und nur darauf warten, dass ich ihnen sage, womit sie anfangen sollen, macht es auch nicht besser. Justyna hustet vernehmlich; ein Geräusch, das mich an eine Fliegeralarmsirene erinnert. Genau der kleine Schubs, den ich brauche.
Ich mache kurz die Augen zu und versuche mir Hardy’s so vorzustellen, wie ich es gerne sehen möchte; so wie es früher war, in den goldenen Nachkriegsjahren, als das Land die Hölle und unsagbares Herzeleid durchlebt hatte und auch Hardy’s ein Lied davon singen konnte. Ich versuche mir elegant gekleidete Frauen vorzustellen, die Arm in Arm mit ihrem Geliebten durch das weitläufige Gebäude flanieren, Mütter, Kinder, beste Freunde. Ich stelle mir vor, wie Nat King Coles samtene Stimme aus den Lautsprechern gurrt, während er im offenen Feuer röstende Maronen besingt und Väterchen Frost, der einem in die Nase beißt. Ich kann mir die dichten buschigen Girlanden aus Tannengrün vorstellen, die mit Misteln und Stechpalmenzweigen verwoben das Atrium schmücken, farbenprächtige, altmodischselbst gemachte Papiergirlanden um die Türen, funkelnde Lichterketten um die Säulen und Durchgänge. Knallbonbons und Krippen, die handgeschnitzten Holzschühchen, die ich gestern ausgepackt habe … und dann natürlich das Allerwichtigste, das Herzstück und krönende Sahnehäubchen: der Weihnachtsbaum, der stolz und prächtig anzusehen neben der prunkvollen Haupttreppe steht.
»Jan?«, frage ich kurz angebunden. »Ich habe eine Aufgabe für dich. Und zwar müsstest du einen sehr großen Weihnachtsbaum auftreiben und kaufen. Und das noch heute Nacht.«
»Er kann meinen Lieferwagen nehmen!«, erbietet sich Sam, und es dauert nicht lange, da ist Jan auch schon zur Tür hinaus und zu seiner Mission aufgebrochen.
»Also gut, alle zusammen«, sage ich, klatsche in die Hände und schaue sie an. »Packen wir’s an?«
Die nächsten vier Stunden vergehen wie im Flug; wir haben alle Hände voll zu tun und sind bester Laune. Kistenweise Weihnachtsschmuck wird ausgepackt und aufgehängt, wir bilden eine Kette, um all die Dekorationen möglichst schnell und effektiv vom Warenlager auf die verschiedenen Abteilungen zu verteilen, es wird gesungen, gewitzelt und gelacht, und Sam fotografiert uns alle bei der Arbeit. Und langsam, aber sicher verwandelt sich das Chaos aus leeren Kisten und wüstem Durcheinander im Laufe der Nacht tatsächlich in das Winterwunderland meiner Vorstellung. Die winzigen Schuhe hat Lily geschickt auf einem Plexiglasständer angeordnet, den Sam in Form eines Weihnachtsbaums aufgebaut und mit Mistelzweigen umwickelt hat. Den wollen wir, mit einigen Lichterketten hübsch beleuchtet, in eins der Schaufenster stellen und dann die Schuhbaumidee in der Schuhabteilung noch mal aufgreifen und dazu die traumhaften ehemaligen
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