Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
einer Sackgasse stecke, während du aussiehst, als seist du gerade aus dem Bett gefallen, um schnell die Lieferungen für deinen Dad auszufahren, wobei du dich insgeheim ganz woandershin wünschst …«
»Ich bin einfach kein Morgenmensch«, grummelt Sam abwehrend.
»Ich auch nicht!«, entgegne ich und muss noch mehr lachen. »Und jetzt sitzen wir hier, fein herausgeputzt, und bekommen mitten in der Nacht ein feudales Essen serviert, obwohl der Laden längst geschlossen hat, und das alles, nachdem wir heimlich das ganze Kaufhaus umgekrempelt haben. Ich meine, das ist doch unglaublich!«
»Da hast du recht«, stimmt Sam mir mit einem breiten Grinsen zu. »Unglaublich gut ist es. Mir geht es besser denn je, seit wir alle hier zusammenarbeiten. Du hast mich ermutigt, meinen Traum zu verwirklichen, Fotograf zu werden, Evie. Ich kann dir ganz ehrlich gar nicht genug danken. Und meine Bilder in der Zeitung abgedruckt zu sehen, das ist, tja, einfach der Wahnsinn. Nicht nur, weil es Hardy’s geholfen hat, sondern auch, weil es mir hilft. Ich hätte das nie für möglich gehalten. Irgendwie hatte ich mich schon fast damit abgefunden, für den Rest meines Lebens Lieferungen auszufahren …«
»Wieso das denn?«, frage ich. Er ist immer sehr offen, und doch gibt es so vieles, was ich nicht über ihn weiß. »Du bist so jung und wirkst immer so optimistisch, wie kommt es, dass du da so schnell aufgegeben hast?«
Sam zuckt die Achseln, und ich merke, dass ihm das Thema unangenehm ist. Er sieht mich an und will etwas sagen, überlegt es sich dann aber doch anders. »Sagen wir mal so, die … Umstände waren gegen mich. Nachdem ich mein Studium kurz vor dem Abschluss geschmissen habe, musste ich mir schleunigst einen Job suchen, und ich hatte nicht allzu viel Auswahl. Mein Dad war so nett, mir einen Job anzubieten, und ich habe Ja gesagt. Er wollte immer schon, dass ich unser Familienunternehmen übernehme, und ein bisschen kam es mir fast vor, als würde ich mich nur in das ohnehin Unvermeidliche fügen. Mein Dad hat es schließlichauch geschafft. Er hat hart gearbeitet, um eine Firma aufzubauen und seine Familie zu ernähren …« Sam räuspert sich und nippt am Wein. »Und da habe ich gedacht, vielleicht sollte ich das auch machen. Verantwortung übernehmen. Ein Mann sein.«
»Aber du bist doch gerade mal Mitte zwanzig. Du brauchst doch noch keine Verantwortung zu übernehmen …«, versuche ich einzuwenden.
Sam senkt den Blick auf seinen Teller und verstummt. Die nächsten paar Minuten schiebt er nur das Essen hin und her, bis er schließlich wieder was sagt. »Wohl nicht, aber manchmal kommt es anders, oder?« Er schaut mich an. »Ich meine, sieh dich doch mal an. Du trägst auch Verantwortung … für die Kinder deiner Schwester zum Beispiel …«
Nun bin ich es, die angestrengt auf ihren Teller schaut. »Das stimmt wohl, und ich gestehe, manchmal ist mir das alles zu viel. Denn seien wir mal ehrlich, das ist doch nicht gerade das, was eine alleinstehende achtundzwanzigjährige Frau tun sollte, oder? Jeden Abend brav zuhause bleiben, Tee kochen und den Kindersender gucken. Aber andererseits habe ich sie wirklich gerne um mich. Und außerdem bin ich sowieso nicht der Typ, der ständig um die Häuser zieht. Im Grunde meines Herzens war ich wohl immer schon mehr der häusliche Typ.«
Sam beugt sich nach vorne, stützt die Ellbogen auf den Tisch und hört mir aufmerksam zu. Es ist ein angenehmes Gefühl. Ich bin es gar nicht gewohnt, über mich zu reden.
»Ich glaube, ich habe mich so gerne um die beiden gekümmert, weil ich bei Delilah sein und Teil ihres Lebens sein wollte. Ich habe sie schon als Kind immer sehr bewundert, aber wegen des Altersunterschieds haben wir nie besonders viel Zeit miteinander verbracht. Als ich zwölf war, ist sie ausgezogen und zur Uni gegangen, und vorher war sie ständig mit ihren Freundinnen unterwegs. Ich wollte ihr immer nahe sein …« Ich unterbreche mich, weil mir ein Gedanke kommt. »… um mich in ihrem Glanz zu sonnen, denn ihr Leben schien mir immer schon so viel spannender als meins. Sie schien mühelos sämtliche Hindernisse zu nehmen, während ich mich immer abstrampeln musste und verzweifelt versuchte, in dem ganzen Chaos um mich herum Ordnung und Schönheit und Ruhe zu finden. Irgendwie fiel mir nichts je besonders leicht. Ich hatte kein augenscheinliches angeborenes Talent – bis auf meine kreative Ader –, aber mein Dad meinte immer, das allein reiche nicht,
Weitere Kostenlose Bücher