Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
kommt es mir vor, als seien sie zum Leben erwacht und das alles hier geschehe in Schwarz-Weiß.
Ganz kurz schwanke ich, ob ich nicht doch tun soll, was ich eigentlich für richtig halte. Ich könnte ganz einfach sagen: »Ehrlich gesagt, Herr Amerikaner, bin ich Evie, das Mädel aus dem Warenlager«, und zusehen, wie er das Weite sucht. Ich könnte davon träumen, wie es wohl gewesen wäre, seine wirklich verführerischen Lippen zu küssen.
»Also …?«, hakt er lächelnd nach, und um die Augen bekommt er viele kleine Lachfältchen. »Möchten Sie mir nicht den Tag versüßen?« Ach herrje, jetzt ist er auch noch Clint Eastwood, verdammt. »Möchten Sie mit mir ausgehen, Carleen, ich meine, Carly?« Und dann fährt er sich mit der Handfläche über die Schläfe und schaut mich erwartungsvoll an, fast verletzlich.
Sag einfach die Wahrheit, Evie , denke ich, und mache den Mund auf, und dann, ehe ich mir auf die Zunge beißen kann, bin ich auch schon mit einer Antwort herausgeplatzt.
»Das wäre sehr nett«, entgegne ich.
Sechstes Kapitel
D as wäre sehr nett?
Was zum Teufel ist bloß in mich gefahren, so was Blödes zu sagen?
»Wunnn-derbar«, sagt Mr. Wunderbar. Entsetzt starre ich ihn an, dann lächele ich dümmlich und will mich unauffällig verkrümeln, in der Hoffnung, abhauen zu können, ehe ich mich noch tiefer in diesen Schlamassel hineinreite.
»Tja«, setze ich höflich an, »es war nett Sie kennenzulernen …«
»Joel«, unterbricht er mich. »Parker.«
»Es war nett Sie kennenzulernen, Joel Parker.« Ich drehe mich um und marschiere in Richtung Treppe.
»Nur Joel reicht auch.« Und damit dreht er sich um und läuft neben mir her. Am liebsten würde ich ihn anfahren: »Tja, Nur Joel , nennen Sie mich einfach Evie.« Aber das tue ich nicht. Stattdessen lege ich noch einen Zahn zu. Was er dann auch macht.
»Sie wohnen in Clapham, stimmt’s?«, fragt er mit seinem breiten trägen Akzent. Mein Kopf fährt herum, und ich schaue ihn an, noch entsetzter als eben. Da wohnt doch Carly. Woher weiß er das? Ist er vielleicht so ein irrer Stalker? Wo bin ich denn hier schon wieder hineingeraten?
Mein entgeistertes Gesicht entgeht ihm nicht, und er muss lachen. »Ach du lieber Himmel, jetzt klinge ich wie ein Psychopath, oder? Das weiß ich doch nur, weil ich die Personalakten durchgesehen habe – aus rein beruflichen Gründen.«
Gänzlich unüberzeugt rücke ich ein Stückchen von ihm ab.
»Ich arbeite für den Einzelhandel?«, erklärt er weiter, und sein Akzent macht aus jedem Satz eine Frage. »Als Berater? Für große Kaufhäuser? Hauptsächlich drüben in den USA, aber ich bin vorübergehend in Großbritannien, um hier bei einigen Projekten mitzuarbeiten. Mein alter Freund Rupert hat mich eingeladen, um mir das Kaufhaus zu zeigen.« Ich klappe den Mund auf und will eine Frage stellen, doch dann klingelt sein Telefon, und er verzieht das Gesicht. »Entschuldigung, da muss ich rangehen, aber wollen wir uns dieses Wochenende sehen?« Er wirkt ein wenig verschämt. »Geben Sie mir Ihre Nummer, dann rufe ich Sie morgen an, und wir machen was aus?«
Ich weiß nicht, was sagen oder wohin gucken. Ich kann ihm unmöglich in die Augen schauen, also starre ich stattdessen seine Arme an, deren Muskeln unter dem Anzugstoff spannen. Das nenne ich mal Oberarme. Von seinem Bizeps hypnotisiert sage ich einfach Ja und gebe ihm meine Mobilnummer.
Nach diesem kleinen Intermezzo laufe ich schließlich die Treppe hinunter zum Warenlager. Zumindest glaube ich das. Ganz sicher bin ich mir allerdings nicht, da meine Beine nicht mehr zu mir zu gehören scheinen und mein Kopf irgendwo um die große Haupttreppe schwebt. Ich kann nicht mehr geradeaus denken, geschweige denn sehen. Was um alles in der Welt ist bloß in mich gefahren, mich als Carly auszugeben? Ich habe keine Ahnung, was mich da geritten hat. Aber …
Ich habe eine Verabredung.
Ich kann es kaum glauben.
Dieser Kerl, dieser große, gutaussehende, gebildete, gut angezogene, umwerfend SCHNUCKELIGE Amerikaner hat MICH gerade zum Essen eingeladen.
Ich schlüpfe in meinen Mantel und knöpfe ihn bis unters Kinn zu, damit ich auf dem Weg zum Lagerraum nicht noch in weitere Schwierigkeiten schlittere.
Urplötzlich springt mich jemand mit gezückter Puderquaste und einem strahlenden Lächeln von der Seite an.
»Könnte ich Sie vielleicht für eine Typberatung begeistern?«, überfällt Gwen mich, eine der aufdringlichsten Verkäuferinnen im Laden. »Sie haben
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