Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
eine traumhafte Haut, aber beim Auftragen der Grundierung könnten Sie etwas Hilfe brauchen – und, herrje«, ihre perfekt geschminkten Lippen kräuseln sich leicht, »soll das etwa Rouge sein?« Sie weist auf mein Gesicht. Beschämt rubbele ich an meinen Wangen herum und merke dann, dass ich noch hochrot bin von der Begegnung mit Joel.
»Ähm, nein danke, Gwen. Ich komme gerade aus der Pause.«
Verdattert starrt sie mich an, und dann geht ihr wohl auf, dass sie mich von irgendwoher kennt. »Oh, ’tschuldige, ich habe dich für eine Kundin gehalten.«
»Nein«, murmele ich leise. »Ich arbeite schon seit zwei Jahren hier. Du unterhältst dich doch dauernd mit mir.« Mit ausdruckslosem Gesicht guckt sie mich an und schüttelt den Kopf, also beuge ich mich zu ihr rüber und flüstere ihr verschwörerisch zu: »Du hast Kreditkartenschulden und willst auf keinen Fall, dass dein Mann etwas davon erfährt …«
»Pscht!« Panisch greift sie sich mit der Hand an die Brust. »Woher weißt du das?«
Ich atme tief durch. »Das hast du mir selbst erzählt, als du bei mir im Warenlager warst und einen Tee getrunken hast. Letzte Woche?« Ich halte inne und sehe sie an. Der Penny ist noch immer nicht gefallen. »Ich arbeite da drin«, füge ich verzweifelt hinzu.
»Ah!« Sie seufzt erleichtert. »Du bist Dingsbums, ähm, ja, genau! Sarah aus dem Warenlager!«
»Ich muss los.« Mit einem resignierten Nicken will ich mich davonstehlen.
»Ja dann«, sagt sie, und ihr Lächeln wirkt so aufgemalt wie daseines Clowns. »Ähm, Sarah, Liebes«, sie packt mich am Arm, wobei ihre langen, kirschroten Nägel sich ein wenig in meine Haut bohren, »du … erzählst doch niemandem von meinem kleinen Problem, oder?« Und dann lacht sie gezwungen, und ich höre Angst in ihrer Stimme aufsteigen, die sie zu ersticken droht. Die Kreditkartenschulden in Höhe mehrerer Tausend Pfund, die sie im Laufe der vergangenen Jahre angehäuft hat, sind für sie zu einer schweren Bürde geworden. Ich bin zwar keine Expertin, aber als sie sich mir letzte Woche anvertraut hat, habe ich ihr geraten, mit ihrem Mann darüber zu reden und sich den Konsequenzen zu stellen. Das wäre auf lange Sicht gesehen bestimmt wesentlich weniger belastend.
»Natürlich nicht«, entgegne ich sanft. »Was im Warenlager gesagt wird, bleibt im Warenlager.« Sie nickt erleichtert, und ich setze meinen Weg durch das Kaufhaus fort.
Im Lager angekommen, tippe ich den Sicherheitscode ein, mache die Tür auf, gehe hinein und schließe die Tür hinter mir.
»Carly?«, rufe ich.
Keine Antwort. Ich spähe rüber zum Sofa, aber sie ist nicht mehr da. Zur Sicherheit schaue ich mich zweimal im ganzen Warenlager um, und als ich mich vergewissert habe, dass ich tatsächlich ganz allein bin, brülle ich los. Ich kreische. Ich hüpfe herum. Und dann schlage ich mir die Hände vor den Mund, als ich der Wahrheit plötzlich mitten ins Gesicht sehe.
Ich bin ein schlechter Mensch. Ganz fürchterlich schlecht sogar. Ich habe einen ungeheuer netten Mann belogen und vorgegeben, jemand zu sein, den ich wirklich sehr mag und von dem ich weiß, dass sie den Mann mag, den ich so nett finde. Wenn das alles irgendwie einen Sinn ergibt. Ich muss diese Sache richtigstellen. Ich muss ihn suchen und ihm die Wahrheit sagen.
Aber das willst du nicht , flüstert eine Stimme in meinem Kopf.
Will ich wohl, wirklich.
N ein, willst du nicht.
Ich kneife die Augen zusammen und lehne mich gegen die Tür. Doch, will ich.
Du willst es nicht, weil du es verdient hast. Du hast es viel mehr verdient als sie. Du wartest doch schon seit einer Ewigkeit darauf, dass endlich etwas Aufregendes passiert. Jetzt bist du mal an der Reihe.
Bin ich das?
Ja.
Ich schlage die Augen auf und schaue an mir herunter auf das Top, das ich noch immer trage. Die goldgelben Pailletten funkeln und glitzern, als wollten sie mir neckisch zuzwinkern.
Na los , scheinen sie mir aufmunternd zuzuraunen. Mach schon …
Ich schüttele den Kopf und versuche, die Stimme aus meinem Kopf und den kleinen Teufel von meiner Schulter zu vertreiben. Wie von der Tarantel gestochen, renne ich durch die mit Lagerbeständen vollgepackten Regalreihen, vorbei an den Kisten, die noch darauf warten, endlich ausgepackt zu werden, und dem Stapel Lieferscheine, die abgeheftet werden müssen. Hinten im Lagerraum zerre ich mir das Top über den Kopf und werfe es auf den Boden. Dann bleibe ich in meinem ausgeblichenen weißen BH reglos stehen und atme schwer
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