Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
habe den Abteilungsleitern schon erklärt, was sie tun müssen, um den Umsatz zu steigern. Wir haben es mit neuer Ware versucht, das Personal in neuen Verkaufsstrategien geschult, aber das alles ändert nichts an der simplen Tatsache, dass die Kunden einfach nicht in den Laden kommen.«
»N-n-nun ja, das reicht eben nicht«, stottert Rupert. Er ist eigentlich ein netter Kerl, aber an seinen Führungsqualitäten hapert es etwas, gelinde gesagt. Vielleicht liegt das daran, dass er einfach keine Erfahrung im Einzelhandel hat. Ehe er die Leitung des Kaufhauses übernommen hat, führte er den Hof der Familie in Gloucestershire. Der arme Tropf kennt sich mit der liebevollen Aufzucht und Pflege von Rindviechern aus, aber nicht mit aufsässigem, nörgelndem Verkaufspersonal. »Wir müssen alle Anstrengung dahingehend konzentrieren, sie mittels geschickter Tricks und sanfter Überredungskunst in den Laden zu locken«, fügt er wenig überzeugend hinzu.
»Du bist nicht mehr auf deinem Bauernhof, Rupert.« Sharon behandelt ihn schrecklich herablassend, so als sei sie ihm himmelweit überlegen. Vermutlich, weil sie ihm eigentlich gerne unterlegen wäre. Seit er hier ist, befindet Sharon sich auf einer einsamen Mission, ihn zu erobern. »Kunden sind keine Schafe : Man kann sie nicht einfach mit einem Hütehund in den Laden treiben «, erklärt sie gereizt.
»Natürlich kann man das!«, schimpft Rupert aufgebracht. »Genau darum geht es doch! Man muss sie umgarnen, sie freundlich, aber bestimmt in den Pferch … ich meine, den Laden … locken … und dann das Gatter … ich meine, die Tür … hinter ihnen schließen. Du musst wie ein Hütehund denken, Sharon!«
»Und du musst vom wilden Hütehund gebissen sein«, knurrtsie. Ich verkneife mir ein Kichern. Die beiden sind wie ein eingespieltes Komikerduo. Dick und Doof? Ich beiße mir auf die Lippen, um nicht laut loszuprusten.
Rupert seufzt vernehmlich. »Hör zu, Sharon. Ich weiß, aufgrund meiner mangelnden Vorerfahrung im Einzelhandel ist es nicht leicht für dich, meinen Ansatz zu verstehen. Ich möchte bloß keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass wir unbedingt etwas tun müssen. Dieser Laden liegt mir am Herzen, und wenn wir nicht bald einen dramatischen Umsatzanstieg verzeichnen können, dann wird er, offen gestanden, nicht mehr lange existieren.«
Worauf ich mich kurz frage, ob Joel wohl vorhin darauf anspielte. Sieht ganz so aus, als hätte Rupert seinen alten Freund um Hilfe gebeten, um das Kaufhaus aus seinen finanziellen Nöten zu retten.
»Aber Hardy’s kann doch nicht einfach so schließen«, entgegnet Sharon prompt. »Das Geschäft existiert doch schon seit einer Ewigkeit.«
»Und manche würden behaupten, das sei nun wirklich lang genug«, erwidert Rupert. »Hör zu, eigentlich sollte ich dir das gar nicht sagen, aber uns liegt das Angebot eines anderen Unternehmens vor, das Interesse an dem Grundstück zeigt. Mein Vater setzt mich massiv unter Druck, das Angebot anzunehmen. Seiner Meinung nach hat der Laden seine Glanzzeit längst hinter sich, und er findet, wir sollten uns zurückziehen, solange es noch geht, und unser Geld anderweitig investieren. Das Kaufhaus ist ihm inzwischen egal, er möchte bloß genug Geld für seine Rente haben«, fügt er verbittert hinzu.
»Aber ihr könnt doch Hardy’s nicht einfach so verkaufen!«, protestiert Sharon. »Was wird denn dann aus uns Mitarbeitern?«
Ruperts Stimme klingt angespannt. »Momentan tue ich, was ich kann, um so viele Stellen wie möglich zu retten. Aber um ganzehrlich zu sein, wenn die Einnahmen nicht sprunghaft ansteigen, dann verlieren wir alle unseren Job. Ich eingeschlossen.«
Ungläubig schüttele ich den Kopf. Das kann doch nicht wahr sein. Hardy’s darf nicht schließen. Das Kaufhaus steht hier schon seit hundert Jahren und hat zwei Weltkriege überlebt. Was wird aus Gwens Kreditkartenschulden, aus Jennys künstlicher Befruchtung, aus Beckys Miete? Woher soll Iris in Zukunft ihre Seife beziehen? Was ist mit Mrs. Fawsley und ihrem Kopfschmuck mit den Pfauenfedern? Was wird aus mir? In drei Wochen ist Weihnachten. Da können sie die Leute doch nicht einfach auf die Straße setzen, oder? Oder?
Vorsichtig spähe ich durch die Regale. Sharon ist näher an Rupert herangetreten.
»Und was ist mit dir? Was willst du ?« Ganz leicht streift sie ihn mit ihrem streichholzdünnen Körper und sieht dabei aus wie ein mageres Hühnchen, das neben einem wohlgenährten Schwein steht.
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