Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
Versteck und knipse hinter mir das Licht aus.
Als ich auf dem Weg nach draußen durch die Kosmetikabteilung laufe, geht es dort immer noch zu wie in einem Bienenstock, und niemand würdigt mich eines Blickes.
Ich stolpere aus dem Laden auf den Bürgersteig und wickele mich zitternd noch fester in meinen dicken Mantel. Dann mache ich einen Schritt auf die Straße und schaue nach oben auf die Uhr an der Fassade. Es ist beinahe halb sieben und bereitsstockdunkel. Ein missgelaunter Passant schimpft und schubst mich im Vorbeigehen mit der Schulter beiseite, als störe ihn schon allein meine bloße Anwesenheit und die Tatsache, dass ich dort stehe. Und ein ihm Entgegenkommender macht es genauso. Ich murmele eine Entschuldigung und gehe los, ziehe mir die Kapuze über den Kopf, vergrabe die Hände tief in den Taschen und verstecke das Kinn im Mantelkragen. Mein Fahrrad hole ich nachher ab, zuerst muss ich noch einen kleinen Abstecher machen.
In dem Moment sehe ich ein paar Meter weiter eine vertraute Gestalt die Straße entlanghasten. Sieht genau aus wie Sam. Also lege ich einen Zahn zu und laufe hinterher, aber dann bleibt er plötzlich stehen, umarmt jemanden und geht dann langsam mit der jungen Frau weiter, die er gerade so herzlich begrüßt hat. Ich weiß nicht, wer es ist; sie halten nicht Händchen oder so, aber sie haben die Köpfe zusammengesteckt, als hätten sie etwas Wichtiges miteinander zu besprechen. Und er sieht aus, als hätte er sich extra fein gemacht. Statt wie sonst immer Karohemd oder Kapuzenpulli, trägt er eine schicke dunkle Jeans und einen gut sitzenden Mantel. Und er hat nicht mal seine süße Strickmütze an. Die beiden verschwinden um eine Straßenecke, und ich bleibe achselzuckend zurück und bin ein bisschen traurig, dass ich nicht wenigstens ein paar Worte mit ihm wechseln konnte. Ich hätte einen Zuhörer brauchen können. Ich nehme mir vor, ihn bei nächster Gelegenheit darauf anzusprechen, wer das Mädel war. Er hat gar nicht erwähnt, dass er eine Freundin hat. Wobei mich das ja eigentlich gar nichts angeht, aber normalerweise erzählt er mir, wenn in seinem Leben irgendwas Aufregendes passiert. Aber komischerweise redet er eigentlich nie über Frauen. Weshalb ich immer davon ausgegangen bin, er sei Single.
Seufzend gehe ich die Straße hinunter und muss daran denken, wie ich das letzte Mal hier entlanggegangen bin, mit Joel. Ich warin Carlys Fußstapfen getreten – oder vielmehr in ihre Schuhe –, und wir waren auf dem Weg zu unserer Verabredung. Ich war so glücklich, so aufgeregt. Aber selbst da wusste ich schon, dass es nicht von Dauer sein würde. Mädchen wie ich gehen nicht mit Männern wie Joel aus, und sie werden auch nicht so geküsst. Na ja, vielleicht ein Mal im Leben.
Und das sollte dir genügen ,ermahne ich mich streng. Du solltest dich glücklich schätzen.
Denn auch wenn mein Leben vielleicht nicht glamourös und aufregend ist, meine eigenen Schuhe sind jedenfalls wesentlich bequemer als die von Carly. Und der Strickpulli, den ich heute anhabe? Der sieht vielleicht aus, als gehörte er eigentlich einem alten Mann, aber er hält mollig warm. Er passt zu mir. Und ich mag ihn. Genauso wie ich finde, dass Hardy’s sich nicht verbiegen sollte, sollte ich vielleicht mal versuchen, mich an die eigene Nase zu fassen.
Bei dem Gedanken ist mir gleich ein bisschen wohler, und als ich dann in die Oxford Street einbiege, bleibe ich stehen und schaue mir staunend den glitzernden Weihnachtsschmuck ringsum an: Alles blinkt und leuchtet wie eine riesengroße Schaltplatte, mit den grellbunten, kitschigen Weihnachtslichtern und der Dekoration, die prächtig über Londons bekanntester Shopping-Meile funkelt. Lola und Raffy fänden das sicher großartig, denke ich, und dann frage ich mich schuldbewusst, ob ich wohl Delilah anrufen und nachfragen sollte, ob alles geklappt und sie die beiden aus dem Hort abgeholt hat. Sie weiß, es kommt nicht oft vor, dass ich es nicht schaffe, pünktlich da zu sein, und ich glaube fast, ihr war es nur recht, einen guten Grund zu haben, ausnahmsweise mal früher nach Hause zu gehen. Aber irgendwie habe ich trotzdem ein schlechtes Gewissen. Just in diesem Augenblick summt das Telefon, und eine SMS von Delilah erscheint auf der Anzeige.
» Hab die Kinder abgeholt. Brauche dich um halb acht hier. Geschäftsessen. Okay?«
Ich antworte mit einem raschen Ja und schlängele mich dabei durch eine Menge aufgeregt durcheinanderschnatternder Japaner, die mit
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