Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
immer, Hardy’s wäre ein klitzekleines bisschen weniger altmodisch und es gäbe wenigstens einen Aufzug.
Und ich wünsche, ich wüsste, wie man Nein sagt.
Gerade schnaufe ich mit der endgültig letzten Ladung Klamotten die Treppe zum ersten Stock hinauf. Ich kann kaum sehen, wo ich hinlaufe, und nur meine genaue Kenntnis des gesamten Ladens bewahrt mich davor, dauernd irgendwo gegen zu laufen, da höre ich in dem ganzen Durcheinander auf einmal eine vertraute, unverwechselbare Stimme. Worauf ich umgehend versuche, über das bedenklich wankende Bündel Kleider zu spähen, das ich krampfhaft festzuhalten bemüht bin. Ich schaue nach unten.
Da steht ein Typ in der Kosmetikabteilung und unterhält sich mit Jenny. Ich kann gerade so den oberen Teil seines Kopfs ausmachen. Vielleicht möchte er ja ein Parfum für seine Frau oder Freundin kaufen und hat sich von meiner traumhaften Flakonauslage hereinlocken lassen? Dann höre ich seine Stimme wieder, und jetzt bin ich mir ganz sicher, dass es nicht irgendein Typ ist. Es ist Joel.
»Was will der denn hier?«, flüstere ich kaum hörbar und drücke mich gegen das Geländer, nur für den Fall, dass er hochschaut und mich sieht. Schnell verstecke ich mein Gesicht hinter dem Klamottenberg und spitze die Ohren, um das Gespräch zu belauschen. Unsichtbar zu sein hat manchmal auch seine Vorteile.
»Bloß vorbeigekommen, um murmel murmel mal anzuschauen murmel murmel Verkaufsfläche murmel hübsche Dekoration murmel wer hat die denn murmel …«
Am liebsten würde ich ihn anschnauzen: »Red gefälligst lauter, Joel!«, aber das wäre wohl ziemlich dämlich. Hauptsächlich deshalb, weil er, würde er tatsächlich aufschauen und mich sehen, feststellen müsste, dass ich den hässlichsten Pullover trage, den die Menschheit je gesehen hat. Und zu allem Überfluss habeich von der kratzigen Wolle einen unansehnlichen Ausschlag am Hals bekommen, der sich inzwischen bis zu meinem Kinn ausgebreitet hat. Und ich habe meine grässliche Hornbrille an, weil es mir heute Morgen, als ich zu dieser unchristlichen Zeit aufgestanden bin, einfach zu viel war, Kontaktlinsen anzuziehen. Meine Haare sind nicht gewaschen, sondern bloß zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und dazu trage ich meine schlimmste schwarze Arbeitshose, die überall da zu eng ist, wo sie es besser nicht wäre. Ich sehe aus wie ein Fischer aus Cornwall, der die ganze Nacht auf seinem Fischkutter verbracht hat. So darf ich mich auf keinen Fall blicken lassen. Und wichtiger noch, Joel darf mich auf keinen Fall mit Carly sehen. Ich weiß, eigentlich wollte ich ihm die Wahrheit sagen, aber irgendwie muss ich dabei ein kleines Fitzelchen Würde bewahren. Verflixt, warum habe ich bloß nicht das süße Sechziger-Jahre-Röckchen mit dem Hahnentrittmuster und das schwarze Poloshirt angezogen, das ich mir heute Morgen rausgelegt hatte? Zum Teufel mit meinem natürlichen Bequemlichkeit-über-Schönheit-Reflex. Ich sollte mich gefälligst am Riemen reißen und mir ein bisschen Mühe geben.
Wie von der Tarantel gestochen sause ich die Treppe hinauf und komme schließlich hechelnd wie ein Hund in der Designerabteilung an. Carly scheint sich in meiner Abwesenheit weder vom Fleck gerührt noch irgendwelche erkennbaren Fortschritte gemacht zu haben. Die ganze Abteilung versinkt im Chaos, die gegenwärtigen Kleiderbestände liegen auf dem Boden, dafür sind die Kleiderstangen leer. Elaine läuft durch die Abteilung wie ein gereizter Tiger.
Schnell lege ich die Kleider beiseite und will zu Carly gehen, doch Elaine ist schneller. Sie kommt zu mir und zischt: »Sie hat nicht den leisesten Schimmer, was sie hier eigentlich veranstaltet. Und auf mich will sie nicht hören. Den alten Bestand will siekomplett ins Warenlager bringen und nur ihre neuen Sachen aufhängen. Obwohl heute die reizende alte Dame kommt, die sich bei uns immer Abendkleider aus Knittersamt und kariertem Taft für ihre Silvesterfeier aussucht … wie heißt sie noch mal?«
»Lady Fontescue«, sage ich und schaue mich nervös um, weil ich befürchte, Joel könne jeden Augenblick die Treppe heraufkommen.
»Und was ist mit dieser ulkigen Nudel mit dem Faible für bunt bedruckte Kaftane?«, hakt Elaine nach.
»Babs Buckley«, entgegne ich, ohne nachzudenken. Es ist mir kein Trost, dass ich bei meinem kleinen Spiel »Ordnen Sie einen beliebigen Artikel den entsprechenden Kunden zu« mal wieder gewonnen habe. Ich muss hier raus.
»Genau die. Der wird das jedenfalls
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