Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
besten Kaufhaus der Welt sogar Bloomingdale’s in New York geschlagen hat, und bestaune hingerissen die Schaufenster. Gleich auf den ersten Blick sehe ich, dass die märchenhaften Dekorationen, die zum Synonym für den Erfolg des Hauses geworden sind, all das haben, was Hardy’s Schaufenstern fehlt: Sie sind gewagt, ausgefallen und anders und heimsen überall Lob und Bewunderung ein, von Passanten und Kunden ebenso wie in der Kunstszene, der Modewelt, den Medien und Fotografen.
Der Laden selbst verkörpert alles, was ein modernes Kaufhaus braucht: Es ist groß und luxuriös, gradlinig und elegant, aktuell und am Puls der Zeit. Man spürt die pulsierende Energie, sobald man den Laden durch die imposante Drehtür betritt. Er hat zwar nicht den altertümlichen Charme von Liberty oder den atemberaubenden Reichtum und Luxus von Harrods oder die Gemütlichkeit von John Lewis, aber dieses Kaufhaus hat etwas Besonderes: Es zieht die Massen magisch an. Noch nie habe ich gehört, dass jemand Selfridges nicht mag.
Eine Weile bleibe ich davor stehen, knabbere meine gerösteten Maronen und nippe an dem Caffè Latte, den ich mir in dem schnuckligen kleinen italienischen Café gleich hinter Selfridges in der Duke Street geholt habe.
Aufmerksam beobachte ich, wie die Menschen in Scharen zu den Türen hineinströmen. Das hier ist die Krone der Shopping-Welt. Davon muss Hardy’s sich die eine oder andere Scheibe abschneiden, wenn der Laden überleben will. Aber wie ? Ratlos schüttele ich den Kopf. Es scheint mir eine unmögliche Aufgabe. Hardy’s wird nie im Leben wie Selfridges. Da können wir einfach nicht mithalten.
Langsam gehe ich die Straße entlang und betrachte mit schief gelegtem Kopf die Schaufenster. Dieses Jahr ist das Motto eine moderne Interpretation der Pantomime, und jedes mit Lichterketten gerahmte Fenster zeigt eine andere Szene aus einer bekannten Geschichte. In einem sind beispielsweise Aschenputtels böse Stiefschwestern zu sehen, eingekleidet von Matthew Williamson, in einem anderen ist Vivienne Westwoods Version der Witwe Tawny aus Aladdin und die Wunderlampe ausgestellt, und in einem weiteren sieht man den Weihnachtsmann, der netterweise Aschenputtels verzauberte Kutsche zieht. Sämtliche Fenster haben außerdem einen reißerischen blinkenden Slogan wie »Dreh dich nicht um!«, »Zum Ball!« und »Schämt euch!«. Alles in allem wirkt es kitschig, cool und sehr schick. In Trauben stehen die Menschen davor und deuten lächelnd auf kleine Details. Die Schaufensterdekoration ist modern, geistreich, witzig und doch durch und durch weihnachtlich und passt genau zum Image des Hauses.
Und Hardy’s? , denke ich und beiße mir nachdenklich auf die Lippen, während ich die Dekoration von Selfridges anstarre und mir dann unsere erbärmlichen, kahlen Schaufenster vorstelle. Es muss doch etwas geben, womit wir es schaffen, uns von derMasse abzuheben. Irgendwas, worauf wir bloß noch nicht gekommen sind. Mit leerem Blick stiere ich in die Fenster, die vor meinen Augen zu einem wirbelnden Kaleidoskop aus ineinanderfließenden Farben verschwimmen, und versuche mir auszumalen, wie so ein Fenster bei Hardy’s aussehen könnte. Aber ich sehe bloß einen regenbogenbunten Schneesturm vor meinen Augen tanzen.
Blinzelnd schüttele ich den Kopf, als ich spüre, wie etwas in meiner Tasche summt. Ich ziehe mein Handy heraus und schaue auf die Anzeige. Joels Name blinkt darauf, und mir wird plötzlich schlecht, weil mein Magen mir wie an einem Bungeeseil in die Kniekehlen rutscht und dann wieder bis in den Mund hinaufhüpft. Er weiß es . Schnell stecke ich das Handy wieder in die Tasche. Ich kann jetzt nicht mit ihm reden.
Lieber konzentriere ich mich auf die Menschen, die in das Kaufhaus gehen und wieder herauskommen, und versuche, das hartnäckige Klingeln in meiner Tasche zu ignorieren. Und dann sehe ich unvermittelt eine vertraute Gestalt mit einer unübersehbaren knallgelben Tüte, die sich mit der anderen Hand ein Mobiltelefon ans Ohr drückt. Dann nimmt er das Handy vom Ohr und schaut drauf, runzelt die Stirn und hält es sich wieder ans Ohr, während er von der Tür weggeht und vor ein Schaufenster tritt. Rasch drücke ich mich in die Nische des Fensters, vor dem ich stehe. Ich bin nur ein paar Meter von Joel entfernt, am liebsten würde ich mich verstecken, aber hier gibt es buchstäblich keine einzige Möglichkeit, unauffällig zu verschwinden. Entweder ich gehe in den Laden und riskiere, dass er mich sieht, oder
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