Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
den Kopf und bricht in Tränen aus.
Ich bücke mich und lege die Arme um sie und reibe ihr den Rücken, während sie an meiner Brust schluchzt. Ich bin schockiert und weiß gar nicht, was ich machen soll. So habe ich sie noch nie gesehen.
»Wie kommst du denn darauf, Lila? Will vergöttert dich«, versichere ich ihr.
»Nie ist er da«, jault sie. »Dauernd macht er ›Überstunden‹, er sieht mich gar nicht mehr, und u-u-u und …« Sie holt tief Luft und hickst gleichzeitig. »Heute habe ich in einer Zeitschrift gelesen, dass um diese Jahreszeit mehr Menschen eine Affäre anfangen, weil es so viele plausbl…« Sie unterbricht sich und schnalzt abfällig mit der Zunge, weil das Wort ihr nicht über die Lippen will, »plau-plau sible Ausreden gibt.« Sie zieht eine Zeitschrift aus ihrer Designerhandtasche und blättert sofort zu dem Artikel, auf den sie dann energisch mit dem Finger einsticht, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Weihnachtsfeiern, Geschäftsessen, Überstunden wegen des anstehenden Weihnachtsurlaubs … es passt alles zusammen. Will ist die ganze letzte Woche nicht ein einziges Mal zur gewohnten Zeit nach Hause gekommen, Evie!« Sie schüttelt den Kopf und wird von erneutem heftigem Schluchzen geschüttelt.
»Aber du bist doch heute selbst spät nach Hause gekommen, Lila«, argumentiere ich und frage mich doch insgeheim, ob sie vielleicht recht haben könnte. Will ist ein gutaussehender Kerl, er arbeitet in der Stadt, und er macht dauernd »Überstunden«. Ich meine, ganz unmöglich wäre es nicht. Doch dann sage ich mir, es wäre unfair, ohne handfeste Beweise irgendwelche voreiligen Schlüsse zu ziehen. Denn Will ist ein toller Papa und Ehemann, und er ist eigentlich völlig vernarrt in meine Schwester.
»Du hast nicht den geringsten Beweis dafür, dass Will eineAffäre hat, wieso regst du dich so auf? Er liebt dich, Lila. Und du weißt selbst, wie viel er arbeitet. Ihr beide«, füge ich rasch hinzu, weil ich genau weiß, wie empfindlich Delilah darauf reagiert, wenn sie glaubt, dass man ihren Beruf nicht so ernst nimmt wie seinen.
»Aber das ist was anderes«, entgegnet sie beharrlich und starrt die Wand gegenüber an. Dann schüttelt sie den Kopf. »Aber du hast wohl recht. Es gibt keine Beweise.«
Just in dem Augenblick hören wir, wie die Haustür aufgeht und leise wieder zugemacht wird. Delilah starrt mich an, sagt aber keinen Ton. Ihre Unterlippe zittert noch, aber in den grünen Augen sieht man die Erleichterung.
»Siehst du? Da ist er, du hast dir ganz umsonst Sorgen gemacht«, sage ich und streiche ihr tröstend die Haare zurück. »Willst du zu ihm runtergehen?«
Sie schüttelt den Kopf und wischt sich über den Mund. »Psst«, zischt sie. Wir hören, wie Will die Treppe heraufkommt. Ganz leise öffnet er die erste Tür, Lolas oder Raffys. Dann die andere. Behutsam schließt er sie wieder und geht auf Zehenspitzen zurück nach unten. Dort angekommen geht er in ihr gemeinsames Schlafzimmer und schließt entschieden die Tür hinter sich. Danach ist es still.
»SIEHST DU!« Delilah bricht wieder in Tränen aus und müht sich auf die Beine.
»Was soll ich sehen?« Ich bin verwirrt und ehrlich gesagt etwas beunruhigt angesichts dieser plötzlich aufgetretenen Paranoia.
»Das ist der Beweis, dass er mich betrügt!«, zetert sie, und wieder landet ein bisschen Spucke auf meinem Arm. »Wäre das alles nur ein Hirngespinst, würde er mich suchen. Aber er will anscheinend einfach nur schlafen, damit ich nicht merke, dass er nach einem fremden Parfum riecht, oder … oder ihn frage, was er heute Abend gemacht hat, oder …«
»Ach, Delilah«, seufze ich müde und spiele an ihren Haaren. »Ich bin mir sicher, du regst dich völlig grundlos auf. Wieso gehst du nicht einfach runter und redest mit ihm?«
»Da fällt mir noch was Besseres ein …«, erklärt sie bedenklich ruhig.
Sie brabbelt immer noch vor sich hin, als ich aus dem Badezimmer in mein Schlafzimmer tappe. Ich nehme das rote Kleid und halte es mir an und drehe mich nach links und nach rechts, während ich mir vorstelle, wie ich es morgen Abend tragen werde.
»… beweisen«, murmelt Delilah, während sie durch mein Zimmer zur Tür torkelt.
Aber ich höre sie gar nicht mehr. Ich kann an nichts anderes mehr denken als an mein verfrühtes Weihnachtsgeschenk, das ich so unerwartet bekommen habe: meine nächste Verabredung mit Joel.
Dienstag, 6. Dezember
Noch neunzehn verkaufsoffene Tage bis
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