Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
muss leider warten. Außerdem stimmt es ja. Es ist schon Viertel vor sieben, und ich muss mich beeilen, damit ich rechtzeitig zuhause bin und Delilah zu ihrem Geschäftsessen gehen kann.
»Ach«, sagt Joel, und die Enttäuschung ist ihm deutlich anzuhören. »Tja, nicht so schlimm. Dann eben ein andermal. Wie wäre es denn morgen? Hättest du da Zeit?«
Ich nicke und lächele, und dann fällt mir wieder ein, dass er mich ja gar nicht sehen kann, also raune ich stattdessen ein Ja in den Hörer und merke, wie ich erröte, als Joel darauf erwidert: »Dann also bis morgen, Carly.«
Ich tippe auf Gespräch beenden und drücke mir das Handy an die Brust. Und dann, während ich noch von den hereinkommenden und hinausgehenden Kunden hierhin und dorthin geschubst werde, bahne ich mir unauffällig den Weg zur Drehtür und schleiche mich nach draußen. Vorsichtig spähe ich aus dem Eingang und sehe gerade noch, wie Joel das Handy in die Tasche steckt und eine geballte Faust gen Himmel reckt.
Und am liebsten würde ich es ihm nachmachen, denn auf einmal ist mir nichts anderes mehr wichtig, als ihn wiederzusehen. Koste es, was es wolle.
Achtzehntes Kapitel
A ls Delilah schließlich nach Hause kommt, ist es schon beinahe Mitternacht, und ich habe die letzten Stunden damit zugebracht, schwerelos durch das Haus zu schweben und von meiner nächsten Verabredung mit Joel zu träumen.
Ich bin gerade oben in meinem Zimmer, als ich die Haustür zuschlagen höre. Ich halte einen Moment inne, dann krame ich weiter in dem Schrank herum auf der Suche nach einem passenden Outfit aus meinem kleinen Schatzkästchen. Ich habe zwei Möglichkeiten zur Auswahl und kann mich einfach nicht entscheiden: ein weicher zartrosa Angorapulli mit Perlenstickerei, der meine Kurven sanft umschmeichelt, kombiniert mit einem kurzen fließenden schwarzen Georgette-Minirock aus den Sechzigern; oder ein traumschönes rotes Hemdkleid mit Gürtel aus den vierziger Jahren, mit kurzen Ärmeln und kleinem Kragen und cremefarbenem Allover-Pferdedruck. Sieht sehr nach Stella McCartney aus, habe ich mir sagen lassen. Jedenfalls meint Delilah das. Oder sagte sie Chloé? Ich weiß es nicht mehr, ich weiß bloß, dass ich es zum Fressen gern habe.
Eben habe ich es aus dem Schrank geholt und halte es mir prüfend an, als Delilah ins Zimmer platzt. Ohne anzuklopfen. Es ist nicht zu übersehen, dass sie ein, zwei Drinks hatte. Womöglich auch mehrere Dutzend. Sie schwankt leicht, die Haare ihres kurz geschnittenen blonden Bobs stehen zu Berge, und ihr Make-up ist verschmiert.
»Erisss …« zischt sie und fällt auf mein Bett. »Dannisernichda«,nuschelt sie, und ein Spucketröpfchen landet auf meiner Hand. Verstohlen wische ich mir den Handrücken an der Hose ab und versuche herauszufinden, was sie mir sagen will. Zum Glück bin ich in dieser hohen Kunst gut geübt, da ich Delilah im Laufe der Jahre oft genug betrunken erlebt habe. Normalerweise benimmt sie sich tadellos, aber heute scheint sie in Weltuntergangsstimmung zu sein.
»Nein, Will ist nicht da«, sage ich sanft.
»Dreckskerl.«
Unvermittelt setzt Delilah sich auf und hält sich die Hand vor den Mund. Ach du lieber Himmel, sie wird doch nicht …?
Schnell trete ich beiseite, als Delilah mich wegschubst und in mein Badezimmer hechtet, und das gerade noch rechtzeitig, wenn man nach den grotesken Geräuschen geht, die alsbald von dort nach draußen dringen.
»Alles in Ordnung?«, frage ich und spähe vorsichtig zur Tür hinein.
Meine Schwester hockt vor der Toilette, umklammert die Kloschüssel und schaut mich an wie ein Häufchen Elend. Ich gehe hin und halte ihre Haare nach hinten, die ich im Nacken zu einem stoppeligen Pferdeschwanz zusammenfasse, während sie weiterwürgt.
»Igitt«, sagt sie und wischt sich den Mund ab. Dann setzt sie sich auf, stöhnt und legt sich auf den Boden, das Gesicht auf die Fliesen gepresst. »Mmm, schön«, murmelt sie, dann verdreht sie die Augen, und ihre Lider schließen sich flackernd. »Nur ein Minütchen hier liegen.«
»Nein, Lila«, kommandiere ich streng und zerre sie hoch. »Geh ins Bett. Dann fühlst du dich gleich viel besser.«
»Nicht besser fühlen«, protestiert sie bockig. Und ich erschrecke mich, als ich sehe, dass sie Tränen in den Augen hat. Matt lehnt sie sich gegen die Wand. »Will nich ins Bett, ich glaube … nein,ich weiß « , murmelt sie und schüttelt vehement den Kopf. »Mein Mann liebtmischnichmeheheher.« Sie schaut mich an, schüttelt
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