Ein weißes Land
beides geschnitten, werden gedünstet. Dann schneidet man das alte Brot, röstet es ein wenig an. Das Ganze in Salzwasser eine gute Stunde lang kochen, noch einmal umrühren und – fertig.«
»Wissen Sie, was ein Neger ist?«, fragte Herr Oberländer ernst, lehnte sich vor und zog die pergamentfeine Haut seiner Stirn in Falten.
Ich verneinte.
»Das ist ein Schwarzer. Afrika. – Einer mit schwarzer Haut.«
»Ein Kaffer«, erklärte der Honorarkonsul im Ruhestand.
Paul schrie auf, Lenchen hatte ihm endlich in den Finger gebissen.
»Jetzt ist es passiert«, prustete Frau Schnapke tadelnd.
»Nicht so schlimm«, sagte Frau Oberländer und streichelte die Köpfe ihrer Kinder.
Ich tat, als hätte ich etwas gelernt, und fühlte mich durch die allgemeine Aufmerksamkeit bemüßigt, zu antworten.
»Die Farbe der Haut ist bei uns weniger wichtig als der Glaube. Er eint die Menschen«, verkündete ich den Anwesenden und es hörte sich ziemlich vorlaut an.
»Sieh an«, entfuhr es Herrn Mund. »Das nenne ich einmal … entschlossene Rede nenne ich das. Entschlossen und klar.«
»Allerhand«, stimmte Herr Schnapke zu. »Hier kann man was lernen.«
»Keine Fisimatenten. Entschlossen und klar, wie es sich gehört …«
»Mama, Paul hat gepupt.«
»Ist das nicht etwas simpel? Menschen sind doch unterschiedlich«, gab Frau Zahlhas zu bedenken.
»Wenn man es hat«, sagte der Koch, »kann man auch noch ein Ei darunterrühren. – Aber jedenfalls: Es muss nicht immer Hummer sein. Einfache Speisen sättigen auch.«
»Und stärken die Moral«, pflichtete ihm die Dame bei und warf nun endlich einen befremdeten Blick zu uns herüber. »Wir Älteren wissen das noch.«
»Gar nicht wahr«, rief Paul.
»Er hat sich wirklich schlecht benommen«, sagte Frau Schnapke, rümpfte die Nase und bedachte Frau Oberländer mit einem strafenden Blick.
»Paul, komm her«, befahl Herr Oberländer.
»Die lügt, die Hexe«, rief der Junge.
»Daran ist nichts simpel«, sagte Herr Mund. »Es ist klar und einfach ausgedrückt. Eine lebendige Kultur spricht einfach, das habe ich immer gesagt.«
»Geh weg, du stinkst«, rief Lenchen und Paul begann zu weinen.
»Große Kulturen haben diesen Hang zur Deutlichkeit, zur Klarheit.«
»Benimmt man sich so in der Öffentlichkeit?«, fragte Herr Oberländer seinen Sohn.
»Allerhand«, wiederholte Herr Schnapke nickend. »Haben Sie wirklich den Führer getroffen?«
»Ich hab nicht gepupt«, heulte Paul auf, bebend vor hilflosem Zorn.
Mein Herr blickte zu mir und im Kopf formulierte ich bereits eine Antwort, da kam der livrierte Hoteldiener heran und verkündete das Ende des Fliegeralarms: »Allet vorbei. Sie können wieder auf die Zimmer.«
»Sind Sie auch sicher?«, fragte Frau Zahlhas besorgt.
»Die Sprache ist Ausdruck des lebendigen Geistes«, sagte der Honorarkonsul im Ruhestand, erhob sich und verabschiedete sich vom Großmufti mit einer angedeuteten Verneigung.
»Nicht, dass wir gleich wieder runtermüssen«, kam es von Frau Zahlhas.
»Liegt nicht an uns, liegt am Feind«, entgegnete der Hoteldiener lächelnd, »aber wird schon werden.«
Frau Oberländer schob ihre Kinder vor sich her aus dem Raum.
»Auf Wiedersehen, die Herren Araber«, sagte sie noch laut, wohl auch im Namen von Lenchen und Paul.
»Nu geh schon, die Leute sind sicher auch müde«, sagte ihr Mann und nickte uns freundlich zu.
Die Schnapkes warteten, bis sich der Raum geleert hatte. »Man kann es sich eben nicht aussuchen«, sagte sie entschuldigend, und er fügte an: »Nicht einmal in diesem Hotel.«
6.
A ls alle fort waren, gab mein Herr Haddad ein Zeichen und
dieser überreichte mir einen offenen, abgewetzten Briefumschlag. Ich warf nur einen kurzen Blick darauf und begriff sofort.
»Eine Frau hat ihn geschrieben«, sagte der Großmufti. »Ich muss mit dir darüber reden.«
Meine Hand zitterte und hielt den Brief fest, als könne er fortgeweht werden. Ich konnte nicht glauben, dass er seinen Weg hierher zu mir gefunden hatte, dass er nicht verloren gegangen war auf seiner weiten Reise, mich verfolgt hatte, nur, um mich jetzt an etwas zu erinnern, was eine Ewigkeit zurückzuliegen schien.
»Er ist von der Jüdin«, sagte Fadil und mein Blick hätte ihn töten müssen.
Alle starrten mich erwartungsvoll an, hatten einen Halbkreis gebildet, der mich zurückweichen ließ.
»Ich kenne sie aus Bagdad«, sagte ich harmlos.
»Wieso erreicht mich dieser Brief? Woher weiß sie, wo du bist? Hast du sie informiert?«
Weitere Kostenlose Bücher