Ein weißes Land
schwarzes Telefon neben einem enormen, aufgeschlagenen Buch stand. Der Kaufmann postierte mich vor dem Schreibtisch, verschwand kurz und brachte einen Hocker. Er hieß mich Platz nehmen und kam ohne Umschweife zur Sache.
Der Cadillac interessierte Salomon überhaupt nicht, vielmehr ging es ihm ausschließlich um seine Tochter. Er entschuldigte sich bei mir für seine Direktheit, doch verlangte er nichts Geringeres als mein Versprechen, sie nicht wiederzusehen.
Immer wieder wurden wir durch Telefonanrufe unterbrochen und ich hörte erstaunt, wie der Kaufmann mühelos vom Arabischen zum Englischen und Französischen wechselte. Die Gespräche waren kurz und sachlich, und Salomon nannte mir am Ende entschuldigend die Namen der fernen Städte, aus denen die Anrufe kamen. Er ist mit der ganzen Welt verbunden, dachte ich erstaunt, und doch sitzt er hier allein in Bagdad, in dieser Halle.
Ich stimmte allem, was er vorbrachte, zu und gab sogar mein Versprechen. Das fiel mir in meiner Abschiedsstimmung leicht. Es sollte nun etwas Neues beginnen, ich war wieder auf der Suche, und Mirjam, sagte ich mir, hatte mir ohnehin nie viel bedeutet.
Als wir fertig waren, ich stand bereits zum Gehen bereit und wartete darauf, entlassen zu werden, ging in Salomon eine Wandlung vor. Es schien, als bedauere er, was geschehen war.
»Es ist nicht so, dass ich dich nicht mag. Und eigentlich sind Fremde immer bei uns willkommen.« Traurig blickte er in das vom Tor her einfallende Licht. »Im Grunde kennen wir, gerade jetzt, zu wenige von euch. Ich weiß das. Aber hier geht die Familie vor; wir müssen die Ordnung wahren. Dein Vater wird das verstehen. Grüße ihn von mir.«
Damit schob er mich zum Ausgang. Geblendet vom Tageslicht wollte ich mich verabschieden, sah Salomon kurz die Hand heben und sogleich zurücktreten in sein schattiges Reich.
Zu jener Zeit geriet ich in eine der wöchentlich stattfindenden Demonstrationen. Aus allen Gassen strömten die Menschen zusammen, es war, als hätten sie sich an genau der Stelle verabredet, an der ich mich gerade befand. Ich versuchte zunächst auszuweichen, wurde aber so oft gestoßen und zurückgeworfen, dass ich es schließlich aufgab und stehen blieb. Nicht einmal das aber war möglich, denn der Platz füllte sich rasch mit Menschen, die mich schließlich mit sich rissen. Ich hörte das Geschrei, doch verstand kein einziges Wort. Ich fiel zu Boden, wurde gleich darauf wieder hochgezogen, ohne zu wissen, von wem. Ich drängte mich zwischen zwei bullige Männern in weißen, verschwitzten Gewändern, indem ich sie mit den Ellenbogen beiseitestieß. Kurz entstand eine Lücke, ich konnte mich wieder bewegen und nach Luft schnappen. Jetzt sah ich die Soldaten am Rand des Platzes aufmarschieren. In einer langen Reihe und beinahe gemächlich bezogen sie Stellung, sie trugen ihre Gewehre bereits vor dem Körper.
Verzweifelt blickte ich in den gleißenden blauen Himmel hinauf. Ich muss hier herauskommen, bevor sie anfangen zu schießen, dachte ich immer wieder, bis mich ein Schlag am Mund traf und taumeln ließ. Ich wäre zu Boden gegangen, doch hilfreiche Arme fingen mich auf, jemand sagte sogar lachend ein paar Worte zu mir. Ich torkelte voran und wischte mir das Blut von der Wange, da verspürte ich einen weiteren, schwächeren Schlag. Etwas Weiches lag auf meinem Kopf, dem Geruch nach eine Tomate.
Ein Regen aus vergammeltem Obst und Gemüse ging auf uns nieder, Eier platzten an den Köpfen und Schultern der Demonstranten. Nun brach endgültig Tumult aus und ich drängte mich zwischen die Körper, um nur ja aufrecht zu bleiben. Einzelne fielen hin und verschwanden zwischen Dutzenden von stampfenden Beinen. Ich fragte mich nicht, ob sie wieder aufzustehen vermochten, sog nur gierig jeden Atemzug ein, den ich mit meinem verklebten Mund tun konnte. Es wird nicht lange dauern, ging es mir durch den Kopf, dann werden Steine fliegen und sie werden die Soldaten angreifen.
Schüsse ertönten, augenblicklich wogte die Menge in die Gegenrichtung. Kurz sah ich die Häuser, vor denen sich die Soldaten postiert hatten. An den Dachbalustraden standen Schaulustige. Nur sie konnten sehen, wer hier gegen wen demonstrierte. Ich verlor den Halt und sank rückwärts, diesmal versuchte ich gar nicht erst, dagegen anzukämpfen. Der Druck der panischen Menge war zu stark, alles, was ich tun konnte, war, meinen Kopf zu schützen.
Als ich es am wenigsten erwartete, stieß mich der ungeheure Klumpen aus Leibern
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