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Ein weites Feld

Ein weites Feld

Titel: Ein weites Feld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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plaudern. Na, die ollen Kamellen: was mit meinem Wuttke in Lyon los war. Und was in seinen Artikeln für die Reichsluftfahrt drinstand, über Hugenottenkriege und so. Und daß in dem einen Artikel irgendwas von Ruderpartien zu lesen gestanden hat, mal auf diesem See, mal auf nein anderen. Und daß man in der Gegend da nich nur Froschschenkel produziert, sondern ne richtige Fischwirtschaft … ›Na und?‹ hab ich zu ihm gesagt. ›Kenn ich alles.‹ Die meisten Artikel hab ich ja abgetippt. Aber inner Feldpost, da stand noch mehr. Im Krieg is viel passiert. Und außerdem hab ich gesagt: ›Geht Sie nen feuchten Kehricht, rein gar nix an, weil das privat is.‹ Is auch ne Zeitlang still gewesen, bis er dann neulich, als ich bei uns auffem Kiez die Schönhauser runter auf Einkauf war, mich wieder mal angequasselt hat: ›Momentchen nur, Frau Wuttke. Wird Sie interessieren. Sie ist nämlich da, die bestimmte Person. Ist eindeutig als Enkelkind ausgewiesen. Will unbedingt ihren Großvater sprechen. Hat auch was mitgebracht für ihn. Verrate wohl kein Geheimnis, wenn ich Ihnen anvertraue, daß es sich um eine Auszeichnung, gewissermaßen um einen Orden handelt.‹ Und dann hat er noch gesagt: ›Ist übrigens ne intelligente Person, und Ansprüche, etwa finanzielle, stellt sie keine.‹
    Kam mir höflich, superhöflich sogar: ›Liebe, verehrte Frau Wuttke‹ und so, weil er meine Einwilligung gewollt hat, na für das Treffen Großvater-Enkelkind. Mein Gottchen, hab ich gedacht, der wird ja noch richtig menschlich, dieser Schleimer. Und zu ihm hab ich ›Bitte, von mir aus gerne‹ gesagt, ›will da nich stören‹. Bin aber dann doch neugierig auf die Kleine gewesen. Mein Wuttke war natürlich erleichtert, als ich ihm ne Ruderpartie zu dritt vorgeschlagen hab. Wurd gleich wieder übermütig. ›Rudern ist immer gut!‹ hat er gerufen und dann noch: ›Da muß man nicht viel reden dabei.‹ War denn auch richtig schön der Nachmittag auffem Wasser. Hatte paar Schrippen mit, mit Aufschnitt zwischen. Und wie die Kleine zugelangt und gefuttert hat. Einfach goldig, unsre Marlen. Zu mir hat sie Großmama gesagt, mich aber trotzdem gesiezt. Und hat mit ihre schwarzen Kulleraugen geguckt … Is aber, find ich, kein bißchen ähnlich mit meinem Wuttke. Jedenfalls haben wir hinterher, als wir schon von zu Haus was Warmes zum Überziehn geholt hatten, noch nen Bummel mit zwischendurch Kaffeetrinken gemacht, weil mein Wuttke nich gleich in den Massentrubel rein, sondern erst die Linden rauf und runter uns alles erklären gewollt hat, na, was hier früher gewesen is, Café Kranzler und lauter piekfeine Restaurants und Konditoreien. Aber immer hatten wir diesen Stoppelkopp bei, der auch ne Menge von früher gewußt hat. Wurden ihn einfach nich los. Mir hat das gar nich gepaßt und unsrer Marlen überhaupt nich. ›Müßjö Offtaler‹, hat sie ganz süß zu ihm gesagt, ›verstehen Sie bitte, daß wir diese historische Nacht ganz familiär unter uns verbringen wollen und auf Ihre Hilfe diesmal nicht angewiesen sind …‹ Da waren wir schon nah am Reichstag dran, als sie ihn hat abschieben gewollt. Aber der war Mich wegzukriegen. ›Ich gehör auch zur Familie!‹ hat er gesagt und gegrinst dabei …«
    Als wir später Fontys Tagundnachtschatten fragten, kam heraus: »Ist doch klar, daß man mit seinen Schützlingen sein will, wenn Deutschlands Einheit gefeiert wird. Außerdem sind die Dienste behilflich gewesen, als es um den Orden und später nur noch um ne möglichst diskrete Übergabe ging. Lief unter ›Familienzusammenführung‹ und war große Mode damals. Habe deshalb sogar ne Reise ins nichtsozialistische Ausland bewilligt bekommen. Kannte Lyon zwar von früher, hat sich aber seitdem ›kolossal rausgeputzt‹, wie unser Freund sagen würde. Reiche Stadt, gut in Schuß alles, sauber. Lief gerade der Barbie-Prozeß, als ich ankam. Viel Presserummel um nen alten Mann, doch unterschwellig ging es auch um den damaligen Chef der Miliz Paul Touvier und um nen gewissen Bousquet, der unter Pétain die Polizei gemacht hat. Sind da noch immer ziemlich empfindlich, die Franzosen, selbst die Genossen waren ne Spur verlegen, als wir den Fall Jean Moulin auch nur antippten. Haben deshalb nicht tiefer gebohrt. Schließlich wollten wir was von ihnen, ne Kleinigkeit nur. Der unter dem Kennwort Tontaine‹ längst abgelegte Vorgang verlangte nach Neubeurteilung. Aber nicht doch! Gibt keinen Grund zu bestreiten, daß mir Fräulein Aubron

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