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Ein weites Feld

Ein weites Feld

Titel: Ein weites Feld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Wuttke? Kann es sein, daß sie früher als Fonty gewußt hat, was Frankreich an Überraschung zu bieten hatte? Auf Befragen sagte sie: »So niedlich hatt ich mir die Kleine nich vorgestellt. Wenn ich an unsre Martha denk, wie launisch die sein kann und wie rechthaberisch. Müssen mal ihre Briefe lesen: als wenn Schwerin am Nordpol liegt. Immer nur Gejammer. Dabei hat ihr dieser Grundmann ne richtige Villa geschenkt, mit Putzfrau, Terrasse und Seeblick. Also gegen Martha, die immer nur rummäkelt, is die Kleine richtig erfrischend. Wie die gerudert hat und uns angeguckt mit ihren Kulleraugen. Dabei immer gutgelaunt und spritzig, doch kein bißchen kokett, was man sagt über Französinnen. Nee, ich denk mal: Marlen hat eher gegrübelt, als sie uns zwei Alte so sitzen sah. Aber wenn es drauf ankam, konnt sie biestig werden. Und zwar auffen Punkt genau, als sie meinem Wuttke Kontra gegeben hat, weil der nich an die Einheit hat glauben gewollt und immer mit siebzig-einundsiebzig gekommen ist, weil das och schiefging, hat er gesagt. So is mein Wuttke nun mal. Muß alles vergleichen, die Raffkes von damals und die Raffkes von heute, die Kommißköppe und Herrn Leutnants mit dem Gesocks, das jetzt oben is, na, diese Waffenschieber und Spesenritter, wie er die nennt. Immer kommen bei ihm zuerst die großkotzigen Treibels, doch dann hat er schon diesen Schlauberger Krause am Wickel, der für uns so fix die Einheit aufgeschrieben hat. Aber die Kleine, Marlen mein ich, die hat ihm mit ihrem Mundwerk klippklar erklärt, daß sowas normal is, paar krumme Dinger, weil das zum Leben gehört, in Frankreich sowieso. Richtig in Rage is sie gekommen, als das dann losging mit dem Theater vorm Reichstag. Gerufen hat sie, und zwar laut, damit mein Wuttke nich hat weghören gekonnt, daß man nich immer nur aufs Kleine, sondern aufs Große gucken soll. Und daß ganz Deutschland endlich lernen muß, ne richtige Nation zu werden. ›Ohne ein starkes Deutschland schläft Frankreich ein!‹ hat sie gerufen. Und wissen Sie, wer ›richtig, hundert Prozent richtig!‹ gesagt hat? Na, mein Wuttke natürlich nich. Genau! Dieser Stoppelkopp, wie Martha den nennt. Der hat uns ja vom Rudern abgeholt und nach Haus gebracht, damit wir uns Mäntel und ne Strickjacke für unsre Marlen haben holen gekonnt. Und denn sind wir alle in seinen Trabi rein und ab Richtung Reichstag. Kamen bis inne Glinkastraße. Weiter ging’s dann zu Fuß. Und dieser Stoppelkopp immer mit. War Mich abzuschütteln. Und immer weiß er schon alles. Denn längst bevor mein Wuttke krank wurde, hat er mir paar Andeutungen gemacht von wegen Auslandsreise mit Schiff nach Schottland hoch. Na, Sie wissen ja, wie das war im Sommer, als das neue Geld kam … Und denn nochmal, als wir von Hiddensee zurück … Kommt einfach, schmiert sich an und flötet: ›Liebe Frau Wuttke, es ist mir ein wenig peinlich, aber wir haben neuerdings Informationen, daß Ihr Mann …‹ Daß was im Busch is, daß meinem Wuttke aus Frankreich was anhängt, hat er geflüstert und es richtig spannend gemacht, als er mich auffem Einkaufsbummel im KaDeWe unbedingt hat begleiten gewollt. Erst hab ich gesagt, er soll bloß Leine ziehn, aber der blieb und grinste wien Honigkuchenpferd. Laß ihn mal reden, hab ich gedacht. Wird bestimmt was Politisches sein, kennen wir doch. Aber nen Schreck hab ich schon gekriegt und erst mal auf was Schlimmes getippt, Partisanenerschießung womöglich. War richtig erleichtert dann, als nur das mit dem Kind rauskam. Na und? hab ich zu ihm gesagt, als wir endlich aus der Lebensmittelabteilung raus waren und er mich in die Cafeteria eingeladen hat. Na und? War ja Krieg. Da passiert viel. Und daß wir vierundvierzig schon längst verlobt waren, weiß ich selber. Das müssen gerade Sie mir nich sagen. Und wenn da wer angereist kommt, nich seine Tochter, sein Enkelkind nur, is das och kein Beinbruch, wenn die Kleine schon so lange nach ihrem Großvater sucht, damals schon, als hier noch die Mauer stand und alle dachten, die steht ewig. Na, hab ich zu ihm gesagt, wenn se nur im Westen gesucht hat, is ja kein Wunder, wenn da kein Wuttke aufzutreiben war. Und er hat gesagt: ›Wir durften ein wenig behilflich werden …‹ Angeblich hat dieser Stoppelkopp nen dienstlichen Wink von drüben gekriegt. Und bei Marthas Hochzeit war er och … Und neulich auf Hiddensee, als ich mir meinen Fuß verknackst hab … Wie der aussah! Wien Amerikaner auf Urlaub. Und fing an, aussem Nähkästchen zu

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