Ein weites Feld
nannten, Kapital eingebracht und so den Roman ›Frau Jenny Treibel‹, in dem gleichfalls Juden zur Staffage gehören, vorfinanziert. Überhaupt! Wäre ne Sache gewesen, die sich für nen Kulturbundvortrag geeignet hätte: Die Juden in den Romanen des Unsterblichen. Oder: Der Unsterbliche und die Juden! Zum Beispiel diese fatale Ebba Rosenberg – naja, die Szene im brennenden Schloß – in ›Unwiederbringlich‹, wo anfangs ein jüdischer Tierarzt namens Lissauer kurz abgehandelt wird, aber nie in Erscheinung tritt. Oder Ihre jüdischen Kommerzienräte wie Blumenthal und der Bankier Bartenstein, der es bis zum Generalkonsul bringt. Oder die Firma Silberstein und Isenthal, die in ›Mathilde Möhring‹ zum Schluß ne bezeichnende Rolle spielt, indem Isenthal der geschäftstüchtigen Titelheldin bestätigt, sie höre das Gras wachsen: ›Sie hat entschieden was von unseren Leuten.‹ Was denn? Das Gemauschel? Das Tachelesreden? Das Geschacher? Und im ›Stechlin‹ sind es Vater und Sohn Hirschfeld mit ihrem Dauergezänk. Bis zum Schluß Juden! Lauter Juden als Superpreußen! Nicht zu vergessen Ihre dicksten Freunde: Hieß Ihr großer Förderer, der Jude Brahm, nicht eigentlich Abrahamson? Oder der Jude Theodor Wolff, dem später, viel später nur noch das KZ offenstand; was prompt auch der Witwe Liebermann passiert wäre, hätte sie nicht selbst Schluß gemacht. Das fing schon früh an, im Herwegh-Club, als Sie noch revolutionär reimten – wie hieß das Bürschchen aus Odessa? Wolfsohn hieß der Judenbengel, frecherweise Wilhelm vorweg. Und Moritz Lazarus hieß ein anderer, den später miese Geschäfte in Verruf brachten. Dazu ne Menge Briefe, an Juden gerichtet. Das wollte nicht aufhören. Bis zum Schluß Episteln an Friedlaender, immer wieder an Friedlaender; wie Sie heutzutage einen gewissen Professor Freundlich - oder sage ich besser: den ehemaligen Genossen Freundlich - zum Brieffreund haben. Im einen wie im anderen Fall: ein dicker Packen Plauderbriefe an Juden. Dem einen haben Sie Ihre Sorgen über das preußische Bündnis von Thron und Altar geklagt, dem anderen noch kürzlich Ihren revisionistischen Ärger über die, wenn ich mal zitieren darf, ›Mißgeburt des preußischen Sozialismus‹ bestätigt. Ob mit Friedlaender oder Freundlich, mit beiden ließ sich gut lästern und dem ewigen Renegatentum Vorschub leisten. Kein Wunder, daß man aus verantwortlicher Position nicht gerne sah, wie Sie auf Kosten Ihres einst so geliebten Preußen mit Juden verkehrten, von Juden abhingen und uns den Juden als eigentlichen Kulturträger hochjubeln wollten. Zwar steht im letzten Ihrer Briefe an die Tochter Martha: ›Immer wieder erschrecke ich vor der totalen Verjüdelung’ der sogenannten ’heiligsten Güter der Nation’, dann aber wird die totale Verjudung mit nein Dankgebet gutgeheißen: ›… daß die Juden überhaupt da sind. Wie sähe es aus, wenn die Pflege der ’heiligsten Güter’ auf den Adel deutscher Nation angewiesen wäre! Fuchsjagd, getünchte Kirche, Sonntagnachmittagspredigt und Jeu …‹ Und deshalb steht in Ihrem frivolen, ungemein witzigen, doch insgesamt abartigen, weil Ihren Ruf als deutscher Schriftsteller für alle Zeit schädigenden Geburtstagsgedicht diese Preußens Adel höhnisch erteilte Abfuhr und ne lobrednerische Aufzählung von Juden. Juden, die Ihnen schmeichelten. Juden, die hilfreich waren. Juden, mit denen sich bei Tisch plaudern ließ. Juden, die zahlten. Ihre Leser, die Juden …«
Das alles und noch mehr sagte Hoftaller, der sich als Tallhover erinnerte, am Silvesterabend, ohne sich von Fonty unterbrechen zu lassen; weil dessen Frau und Tochter kränkelten und deshalb schlafend ins neue Jahr gleiten wollten, hatte sein Tagundnachtschatten keine Mühe gehabt, ihn zu einem »Jahresendbummel« zu überreden: »Was soll diese elende Stubenhockerei!« Und Theo Wuttke, Fonty genannt, wie wir ihn nun, dank Liebermanns Kreidezeichnung, vor uns sehen, hob leicht die Augenbrauen, weil er bemerkte, daß sich Hoftallers Aussehen, während beide zu später Stunde vom MarxEngels-Platz aus in bekannter Paarung die Linden runterbummelten, verändert hatte: breites, Grübchen werfendes Dauerlächeln war viereckigem, die Lippen ins Quadrat zwingendem Haß gewichen. Fonty sagte: »Was da meiner Mete, im Todesjahr übrigens, geschrieben wurde, ist immer noch kolossal richtig. So war’s, Hoftaller! Denken Sie mal zurück, aber ohne schiefen Blick. Wie ich im Gespräch mit Professor
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