Ein weites Feld
Null gebracht, ha! Besonders raffig macht der Großhandel mit. Und die Versicherungen, alle Banken, ha! Was soll das Gejammer über Konten im Ausland? Oder über Autobahnraststätten? Wie warme Semmeln gehen die weg. Interflug einfach plattgemacht. Und ebenso werden sie Wartburg in Eisenach plattmachen. Oder Zwickau, wo unser Trabi vom Band ging. Nur keine Konkurrenz aufkommen lassen. Ist so gewollt. Privatisieren auf Teufel komm raus. Und nun ist er raus, der Teufel, ha! Wird zurücktreten müssen demnächst, der Chef vons Janze. Und wenn nicht, ist er trotzdem fertig, sag ich. Na, hoffentlich zeichnet er vorher noch Ihre Denkschrift ab. Hab mal kurz drin geblättert, Fonty. Liest sich flüssig. Hübsch das Bild mit dem Paternoster, der unter jedem System seinen Dienst leistet. Hat was Philosophisches, wenn die drei Häuptlinge gleichgeschaltet von oben runter … Sind fabelhafte Portraitskizzen … Könnten aus der Feder des Unsterblichen nicht besser … Oder von dessen Spezi, diesem Ludwig Pietsch … War zwar ein unsicherer Kantonist, schrieb aber einfach großartig über Menzel … Genau so ist Ihnen der Spitzbart, aber auch Hermannheeßt-er gelungen, na, die Marschallbiesen … Nur beim Obermacher der Treuhand stimmt was nicht. Bißchen zu tragisch ausgepinselt. Von wegen Winkelried! Dabei ist er lächerlich, einfach nur lächerlich, ne Schießbudenfigur!«
Das und noch weitere Auswürfe bei flüssigem Verkehr. Keine Baustelle, kein Stau. Gleichmütig verbrauchte der Zweitakter aus Zwickau sein Treibstoffgemisch. Die zuverlässigen Scheibenwischer rechts links. Bei wechselhaftem Wetter an literarisch vermessener Landschaft vorbei. Nachdem Hoftaller sich leergeredet hatte, datierte Fonty einen seiner letzten Besuche in Neuruppin: Vor knapp fünfzehn Jahren, zur Beerdigung der Mutter, die erst lange nach dem Vater gestorben sei, habe er umständlich per Bahn anreisen müssen. »Mit Emilie natürlich, die meine Mama maßlos verehrt hat, übrigens ziemlich parteiisch auf Kosten meines unmöglichen, doch liebenswerten Vaters …« Als sie, vorbei an Kasernen, in Neuruppin einfuhren, klarte der Himmel auf Die Scheibenwischer ruhten. In kleinen Portionen kam Sonne durch.
Ein Städtchen, in dessen Mauern wir, als Ergänzung zum Potsdamer Archiv, gern eine Zweigstelle eingerichtet hätten, und zwar im kleinen, aber sehenswerten Heimatmuseum, das Fonty und Hoftaller sogleich besucht haben; denn in Neuruppin wurde nicht nur der große Baumeister Karl Friedrich Schinkel geboren, der Preußen nach schlichtem Maß diszipliniert hat, sondern auch der Dichter der Mark, der Sänger Brandenburg-Preußens, mehr noch, der über die Mark hinaus stilbildende Prosaist und Schöpfer unsterblicher Romanfiguren, ein Meister, aus dessen Schule der Autor der »Buddenbrooks« hervorging und – wie wir einräumen müssen – der Autor der Jahrestage«, dessen schriftstellerischer Haushalt gleichfalls so reich wie detailkrämerisch bestellt gewesen ist. Gewiß hätten beide, etwa in einem Brief an Schlenther, von ihm Einsernoten bekommen, mit kleinen Einschränkungen natürlich; so wie er Keller, diesen »furchtbaren Schweizer«, minus Lyrik hochgeschätzt hat. Er, der verkrachte Apotheker und abtrünnige Revoluzzer, er, der »Mann der langen Briefe« und plaudersüchtige Eremit im Mansardenloch der Potsdamer Straße, er, den auch wir -Fontys Sprachgebrauch folgend – den UNSTERBLICHEN nennen, er, dem unser Archiv dienend nachgeordnet ist, verlebte hier erste und – nach der Rückkehr aus Swinemünde – letzte Kinderjahre; desgleichen kam in Neuruppin, wenn auch verschattet von den großen Namen, ein beachtlicher Maler orientalischer Szenerien zur Welt, Wilhelm Gentz, dessen Sohn Ismael wir übrigens eine im Heimatmuseum aufbewahrte Zeichnung verdanken, die den Unsterblichen abbildet; ein Blatt, dessen Qualität der Portraitierte in einem Brief beurteilte: »… ich finde es sehr gut, die anderen, Frau und Tochter tadeln es …« Weil aber Fonty uns lebendiger und – als Abklatsch einer Liebermann-Zeichnung näher war, muß abermals – und sei es mit der Penetranz datenfixierter Archivare unterstrichen werden, daß hier, auf den Tag hundert Jahre nach dem Unsterblichen, Theo Wuttke geboren wurde, und zwar Ecke Klappgraben, Siechenstraße, wenige Schritte vom Seeufer und der Dampferanlegestelle entfernt. Hier ging er aufs FriedrichWilhelm- Gymnasium, wie ja auch Schinkel dieses bald nach der Feuersbrunst von 1787 errichtete Gebäude
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