Ein weites Feld
den massiven Bleistift hält, nahe dem hochgestützten Knie ruhen, während die linke Hand vom Steinsims weg lässig abknickt und mit dem Zeigefinger ein Notizbuch aufsperrt. Neben dem Sitzenden, der barhäuptig in die Ferne schaut, ist genügend Platz für den metallenen Faltenwurf des insgesamt geräumigen Mantels und den im Verlauf der Jahrzehnte grauschwarz patinierten Hut, den der rastende Wanderer auf der Bank abgelegt hat und dessen Krempe rundum aufgestülpt einen Graben bildet, in dem sich Wasser von letzten Regengüssen gesammelt hat. Der eigentlich hohe Hut wirkt flach, weil eingedellt. Über die Lehne am anderen Bankende, der gleichfalls eine Metallplatte eingefügt worden ist, auf der Name, Geburtsort und beide Daten des Dichters zu lesen sind, hat der rastende Wanderer durch die Mark seinen berühmten Shawl geworfen, dem allerdings kein schottisches Muster eingewebt worden ist. Außerdem lehnt sich in naturgetreuem Guß sein Wanderstock an die steinerne Lehne. Die Bronze glänzt abgegriffen, die Wanderschuhe sind geputzt. Plötzlich ein Sperling auf dem als Metallguß erstarrten Hut, der zugleich Vogeltränke ist.
Vielleicht sollte noch die vom offenen Mantel freigegebene Weste erwähnt werden
- auch daß sie Querfalten wirft -und gleichfalls die zur Schleife gebundene Halsbinde. Man könnte sich in weitere Details vergucken – später vielleicht. Wie wir bei gelegentlichen Besuchen, so sahen auch Fonty und Hoftaller zum Denkmal auf, denn es steht erhöht auf einem Hügelchen, dem märkische, zum Teil von Efeu überrankte Findlinge vorgelagert liegen. Zudem heben drei Steinstufen die Bank und den sitzenden Dichter. Um das Denkmal Bäume, zwischen ihnen viele Birken. Als beide zum Abbild des Unsterblichen aufsahen, ihn mal aus dieser, mal aus jener Sicht erlebten, zeigten vor den Feldsteinen aufgeblühte Krokusse und Märzbecher die Jahreszeit an. Immer wieder hatte die Sonne Vortritt. Wenngleich überlebensgroß abgebildet, stellte sich dennoch die Frage: Ist er das wirklich? Wir wissen, daß der in Neuruppin heimische Bildhauer Max Wiese, der erst Jahre nach dem Tod des Unsterblichen tätig wurde, bei Modellsitzungen auf den Sohn Theo, dazumal Kriegsintendanturrat, zurückgegriffen hat, dessen allerdings nur grober Ähnlichkeit wegen. Wenn wir an dieser Stelle aus einem Brief des Vaters an die Tochter Mete zitieren, soll damit nichts gegen den Sohn gesagt, doch die Ausdruckskraft des Denkmals ein wenig relativiert werden: »Theo ist ganz der alte: brav, gut, bieder, berechenbar, Schlauberger und Philister, aber so eine Moral- und Rechtssäule, daß ich nicht mit ihm leben könnte …« Fonty, der uns in solchen Momenten näher als der sitzende Unsterbliche stand, weil er samt Hut und Shawl, im Mantel und mit Stock nach Neuruppin angereist war, um sich in Vergleich zu bringen, lächelte ein wenig. Er mochte als Theo Wuttke an seinen Sohn, den Ministerialrat im Bonner Verteidigungsministerium, denken, an diesen Prinzipienreiter, der seinen Eltern seit Jahren weder Brief noch Gruß geschickt hatte und sich als amtlich ausgewiesener Geheimnisträger, wie Fonty befürchten mußte, in Schwierigkeiten gebracht hatte. Weil sein Tagundnachtschatten nichts sagte, sprach das Objekt: »Erinnert mich kolossal an Teddy, von dem wir, dank Friedels freundlicher Vermittlung, ein Photo in sitzender Haltung haben, das meine Emilie wie eine Reliquie hütet.« Da Hoftaller immer noch stumm blieb, behielt Fonty das Wort: »Natürlich haben meine braven Neuruppiner, als das Denkmal, bei übrigens prächtigem Wetter, am 8. Juni enthüllt wurde, nicht etwa den wenig gelesenen Romancier, sondern partout man könnte auch sagen, ausschließlich -den Dichter der Wanderungen durch die Mark und obendrein den Verfasser preußisch-blau eingefärbter Gedichte ehren wollen. Das lief so ab: Als sich der Festzug vom Paradeplatz her, der, wie wir gesehen haben, noch immer Ernst-Thälmann-Platz heißt, hier rundum versammelt hatte, wurden auch prompt die drei siegreichen Einzugsgedichte heruntergeleiert. Versteht sich: unter schwarzweißen Wimpeln und Fahnen. War damals Gymnasiastenlyrik! Mein Vater, der als Steindruckerlehrling dabeigewesen ist, hat mir oft genug von diesem Volksauflauf erzählt, daß der verlegerisch tätige Sohn und außerdem ein Riese von Gestalt, der Schöpfer des Denkmals, anwesend waren. Wer jedoch durch Abwesenheit glänzte, war die Tochter Martha, die sich übrigens, wie wir heute zu wissen glauben – jedenfalls
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