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Ein weites Feld

Ein weites Feld

Titel: Ein weites Feld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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ein Profi in jeder Beziehung –, und schon paffte er wieder. »Macht mich traurig«, sagte er und dann: »Na gut, wir können auch anders. Werde wohl demnächst – und ganz gegen meine bisherige Absicht – auf gewisse Akten hinweisen müssen, die bis vor kurzem noch in der Normannenstraße lagerten, doch nun an nem sicheren Ort vor sich hin flüstern, lauter Peinlichkeiten …«
    »Ihre Drohungen haben sich abgenutzt. Zielt an mir vorbei. Bin nicht mehr zu treffen.«
»Aber, aber. Wer spricht von Ihnen, Fonty? Handelt sich um nen gewissen Ministerialrat Wuttke, der uns seit gut einem Jahrzehnt von der Hardthöhe herab mit seinem Spezialwissen zu Diensten gewesen ist …«
»Lassen Sie Teddy aus dem Spiel. Einfach lachhaft. Niemals hätte dieser Prinzipienreiter …«
»Und ob er hat! Nichts Weltbewegendes. Er ist zwar in Bonn nur fürs Uniformwesen zuständig, aber immerhin hat er uns … Und zwar gegen Quittung …«
»Diese Tugendsäule! Aber ein Schlauberger, immer schon …«
»Soll man ihn etwa auffliegen lassen? Jetzt noch, nach Ladenschluß? Was würde Ihre arme Emmi dazu sagen?«
»Auf diesen Herrn Sohn pfeifen wir!«
»Nun aber rauf, Fonty! Und keine Widerrede mehr.« Was blieb ihm übrig, als im Wintermantel, mit Hut, Shawl und Wanderstock, zudem bei leicht stechender Märzsonne klein beizugeben, wußte er doch, daß Hoftallers Drohungen nie mit Leergut handelten; und selbst wir hätten ihm raten müssen, bei diesem Theater vor wenig Publikum den Narren zu spielen.

29 Vom Denkmal herab gesprochen
    Was, außer bloßer Laune, war hier im Spiel? Wozu diese Demütigung? Wir haben lange gerätselt, so offenkundig er auf Befehl gehandelt hat. Als Zeugen, und weil Fonty dem Archiv nahestand, litten wir mit ihm, dem Opfer verschiedenster Machenschaften und geheimer Dienste. Unser Verdacht fiel nicht nur auf Pullach und Köln; waren wir doch sicher, daß die Normannenstraße, obgleich inzwischen versiegelt, noch immer oder wiederum tätig war. Der in früherer Zeit geläufige Verdacht »Da steckt bestimmt die CIA hinter« wäre gewiß eine Nummer zu groß gewesen und hätte kaum literarische Bezüge hergegeben; was wußte man schon in Amerika, außer daß »Quitt« dort zur schlechteren Hälfte spielt, vom märkischen Adel und preußischen Ehrenkodex, vom Werk des Unsterblichen oder von dessen Familie, also von jenem gespannten Vater-Sohn-Verhältnis, das von den Wuttkes fortgelebt wurde? Jahrelang hatten sich Möglichkeiten ergeben, den Hebel erpresserisch anzusetzen. Etwa beim Sohn Georg, von dem uns Fonty ein Kinderbild skizziert hat – »Er war ein lieber Junge jedoch mit Schwermutsstempel. Als Knirps schon lief er gerne, die Hände napoleonhaft auf dem Rücken, durch Tante Pinchens Wohnstube …« -; doch nach durch Todesfall verkürzter Laufbahn schied der Fliegerhauptmann aus. Bei Friedel, den der Vater uns gegenüber einen »Gesinnungstrampel und Wahrheitshuber« nannte, war, außer pietistischen Traktaten, nichts zu holen gewesen. Blieb, wenn man von Martha – »Diesem Pechmatz!« -und ihrer eher banalen Kaderakte absah, nur der mittlere Sohn Teddy übrig, der, weil doppelt belastbar, unter Verdacht stand und – nach Belieben herbeizitiert – vor dem Denkmal anwesend war: einerseits als Ministerialrat auf Informantenliste, andererseits als Intendanturrat, der, anstelle des Vaters, dem Bildhauer Wiese Modell gesessen hatte. Wir sagten uns schließlich: Keine der üblichen Schikanen, vielmehr das Doppel der Söhne, Theo und Teddy, hat Fonty, über die Findlinge hinweg, treppauf gezwungen; und nur als Vermutung blieb die Frage übrig: Könnte es sein, daß Hoftaller sein Objekt aus verehrender Zuneigung so prominent erhöht sehen wollte?
    Also erstieg Fonty das Denkmal. »Ridikül ist das!« rief er und machte sich dennoch lächerlich. Vorsichtig, ohne ein Pflänzchen zu zertreten, setzte er Schritt nach Schritt über die Märzbecher und Krokusse hinweg, dann bemühte er sich auf einen der efeuberankten Findlinge, war schon auf dem nächsthöheren, nahm schließlich beherzt die drei steingehauenen Stufen und stand nun unschlüssig vor der Steinbank, deren Sitzfläche mit einem Doppelprofil abschloß. Zierlich, nein, infam verkleinert sah er neben der überlebensgroß seßhaften Bronze aus. Doch in welcher Proportion auch immer: Fonty hatte, auf Befehl, sein Denkmal erstiegen. »Setzen! Jetzt hinsetzen!« rief Hoftaller von unten. Er zielte mit der Zigarre. »Reicht denn das nicht? Diese

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