Ein weites Feld
Stufen und jede beiderseits belastbar. Macht sich hübsch in meiner nüchternen Klause. Und seit gestern sehe ich mich mit einem Alpenveilchen beschenkt.« Dann riet er uns, fürs Archiv gleichfalls eine Etagere anzuschaffen: »Fangen Sie mit Zierefeu an. Keine Bange: Pflanzen finden sich schon.« Nachdem am Mittwoch als nächste Topfblume eine Zimmerkalla dazugekommen war, begann der Donnerstag mit einer weißrosa aufblühenden Pelargonie, und am Freitag wurde vormittags bei ihm angeklopft, für Fonty nicht überraschend; ahnte er doch, daß zu der immer üppiger werdenden Blumenpracht ein Spender gehören müsse. Es war nicht Hoftaller, der das Dienstzimmer betrat, sondern eine Putzfrau, offiziell Raumpflegerin genannt. Der Hausordnung gemäß machte sie auf ihrem Arbeitskittel ein kleines Schild als »Helma Frühauf« bekannt. Solch ein Namensschild hinter Klarsichtfolie trug auch Fonty als Theo Wuttke am Jackenrevers; und selbst sein Tagundnachtschatten mußte sich lesbar ausweisen. Frau Frühauf kam nicht mit leeren Händen. Sie hielt eine eingetopfte Zimmerpflanze von ziemlichem Wuchs umarmt und sagte, ohne den Topf abzustellen: »Na, Herr Wuttke? Wie jefällt Ihnen det Jrünzeug? Hab mir jedacht, sieht so kahl aus hier. Vleicht mag er das, bißchen jrün und bunt. Ist noch massenhaft übrig von vorher. Det haben die einfach stehenjelassen, als die rausmußten alle, weil hier jeräumt wurde. War ja viel Gummibaum und Zimmerlinde dabei. Mag ich nich, Sie etwa? Aber die hier, die macht was her, oder?« Fonty bedankte sich, sagte allerdings einschränkend: »So viele Blumen bin ich gar nicht gewohnt«, doch Frau Frühaufs Bescheid »Palme paßt immer!« konnte er nicht widerlegen, zumal dieses Zitat nicht nur im Archiv, sondern auch als Titel eines seiner Kulturbundvorträge redensartlich geworden war. Die Putzfrau mit der immer passenden Palme im Arm stand mitten im Zimmer: »Jott, Herr Wuttke, man nich so bescheiden. Sie waren doch schon früher hier und sind übernommen worden, na, wie wir vom Putzkollektiv alle. Jedenfalls hab ich mir jesagt: Wenn sich jemand Blumen verdient hat, dann Sie! Aber vleicht sind Sie allergisch jegen sowat, dann müssen die wieder raus alle.« Fonty versicherte, daß sich seine Allergie nur gegen einen gewissen Typ Mensch richte, dann ging er einige Schritte auf die Palmenträgerin zu. Nach seiner Beschreibung mochte Frau Frühauf Mitte Dreißig sein, schon auf die Vierzig hin. Mit ihr gemeinsam suchte er einen Platz für die exotische Zimmerpflanze. Die Putzfrau trug ein über der Stirn zur kurzen Schleife gebundenes Kopftuch. Für die Etagere wären Topf und Inhalt zu schwer gewesen. Noch immer stand sie mit der Palme beladen. »Hier, an die Wand«, sagte Fonty, »da kommt ab mittags manchmal Sonne hin, sehen Sie, sogar reichlich.« Es dauerte eine Weile, bis der Topf seinen Platz gefunden hatte. »Den kriegen wir schon plaziert«, sagte sie, »vleicht bißken näher zum Fenster.«
Darauf hätte sich das Gespräch beschränken können, doch Fonty wollte, als Frau Frühauf mit nun leeren Händen neben der Palme stand, mehr wissen: Wie es ihr gehe, nicht nur bei der Arbeit, auch allgemein privat, wenn er fragen dürfe. »Jott, man beißt sich so durch«, sagte sie. »Zahlen ja janz ordentlich hier, mehr noch im vierten Stock, na, wo det Allerheiligste is und nu die Neue det Sagen hat. Aber da putzen andere. Unsre Kolonne darf da nich rein. Die andern hat die Sicherheit mitjebracht, vleicht wejen Bomben und so. Wir machen nur den Nordflügel klar. So ab fünfe, bevors richtig losjeht hier. Jott, privat isses, wie es immer war, nur daß Erich, mein Mann, nu ohne jeregelte Arbeit is und meistens rumhängt zu Haus.« Fonty wollte wissen, ob ihr Mann einen Bart trage und ob Helma Frühauf, wenngleich sie nicht im Sicherheitstrakt putze, dem Chef irgendwann begegnet sei: »Meine natürlich, bevor das passiert ist.« Ihrer schlechten Zähne wegen lachte sie mit geschlossenem Mund: »Woher wissen Sie denn, daß Erich, seitdem ihn die VEB Narva freijestellt hat, mittem Bart rumläuft? Steht ihm aber janz jut. Nee, vom Chef hat unsre Kolonne nie was mitjekriegt, nur die Spuren von seine Rollschuhe, die haben wir wegschruppen jemußt. War nich schön, überall auf dem Linoleum, besonders inne Kurven, sogar hier oben im siebten Stock. Überall Schlieren. Und bei Ihnen drinnen ist er ja och paarmal mit seine Rollschuh jewesen. Vleicht bißchen komisch – oder? Muß sich aufs Sofa jesetzt haben.
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