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Ein weites Feld

Ein weites Feld

Titel: Ein weites Feld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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habt ihr nachgeholfen und euch ein paar Leute
ausgeguckt, die gut genug waren für diese Drecksarbeit
…«
»Sie denken sich nen Roman aus, mein Lieber. Eine
Ihrer Räuberpistolen! Kommen Sie, Fonty, setzen wir uns.
Ich bin müde, verdammt müde. Gefällt mir ja auch nicht,
wie die Sache gelaufen ist. War bestimmt die RAF, die als
ein typisches Produkt des kapitalistischen Systems so
funktioniert.
    War doch ne eingespielte Sache. Anfangs dacht ich noch, das wird wie im letzten Frühjahr ne Verrückte mit nem Dolch unterm Blumenstrauß gewesen sein, aber dafür lief die Sache zu profimäßig …«
    Schnell fanden sie ihre gewohnte Position und saßen, wie vor Jahr und Tag, wieder in ihren Sofaecken. Wir vom Archiv waren nur konjunktivisch dabei, behaupten aber dennoch, ihr Sofagespräch könne eine Stunde und länger gedauert haben. Man möge das Knistern der Polsterung memorieren. Man stelle sich Hoftaller mit einer Kubanischen vor. Und der Zigarrenrauch dürfte den einen, den anderen Verdacht belebt und wieder vernebelt haben.
    Historische Mordfälle könnten vergleichsweise herangezogen worden sein.
Hinweise auf dingfest gemachte Täter, unter ihnen Dr. Nobiling, dieses Nervenbündel, das 1878 zur Schrotflinte griff und mit gezieltem Schuß die Sozialistengesetze auslöste. Und für Fonty fielen uns Zitate ein, mit denen er Tischgespräche hätte beleben können, in deren Verlauf man – sei es im Hause Treibel, sei es an der Tafel des alten Stechlin – plaudernd auf Attentate gekommen wäre, am liebsten auf gelungene. Der jüngste Mordfall blieb ungelöst. Als Hoftaller ging, lüftete Fonty.
Nicht, daß er verstummt wäre, doch zog er sich ganz und gar auf letzte Gewißheiten zurück. In einem Brief an Professor Freundlich steht: »Man vegetiert. Das Leben wird immer langweiliger …« Und nach Schwerin schrieb er: »Ich habe nichts mehr auf der Pfanne.« Uns fiel auf, daß ihm in seltenlangen Episteln immer häufiger die historische Mete und der Amtsrichter Friedlaender vor Augen standen. Der Wendung »jeder ist alles und jeder ist nichts!« folgten Einsichten wie: »Auf seine Verdienste hin angesehen, verdient jeder, gehenkt zu werden; doch müssen wir den Verbrecher so gestalten, daß wir uns mit seiner Gestalt versöhnen können …« Seit dem Mord sah er seinen resignativen Zustand um ein Jahrhundert rückgespiegelt: »Es ist meine Flucht eine ganz natürliche Reaktion bei einem Menschen, der sich in allen möglichen Lebenslagen das Unangenehme immer wegdemonstriert und dabei bis an die äußerste Grenze geht …« Immerhin blieb ihm das Briefeschreiben. Nur selten hörte Fonty die Nebengeräusche der alltäglich abgewickelten Fälle: dieses zum Dauerton anschwellende Gejammer. Sein Zimmer im siebten Stock schirmte ab. Dort war bald nur -Hoftallers Sofabeiträge eingeschlossen – die Vergangenheit gesprächig, als hätte der jüngste Mord verjährte Mordgeschichten aufwärmen können. Und weil in jenem zu Buche geschlagenen Fall der Wilderer Lehnert Menz als Täter entkommen und sich im fernen Amerika verflüchtigen konnte, sah es so aus, als wollte die Ermordung des Treuhandchefs dem Doppelschuß auf den Förster Opitz entsprechen und sich nach romanhaftem Muster weiterentwickeln: Zwar hat man den Täter oder – wie Fonty bald wieder behauptete – die Täterin gesucht, doch blieben er oder sie unkenntlich; nicht einmal ein Phantombild wollte den Sicherheitsdiensten gelingen. Und da nie deutlich wurde, wer für die Aufklärung des Mordes zuständig war, sah sich nicht nur das Bundeskriminalamt bloßgestellt, Pullach und Köln machten sich gleichfalls lächerlich, denn alle Fonty verfügbaren Zeitungen, von der »Wochenpost« bis zum »Tagesspiegel«, gefielen sich in zeilenschindendem Hohn. Selbst Hoftaller sprach auf Kurzvisite von einem »erschreckenden Sicherheitsvakuum«.
Überall wurde gerätselt und spekuliert, allein Fonty sah klar. Das heißt, er sah eine Frau, Anfang Dreißig, deren zielbestimmte Willensstärke von unscheinbarem Äußeren verdeckt wurde: »Sehe aschblondes Haar, griesen Teint. Die Figur hager, doch immer proper gekleidet. Wie diese Frau sehen viele aus. Deshalb ist ihr das Untertauchen so leicht gefallen.« Und dann sagte er aus seiner Sofaecke heraus: »Womöglich bietet das Profil etwas Gewisses, eine Linie, mit der den Erkennungsdiensten, falls sie den Blick dafür haben, gedient sein könnte: Sie hat ein Gemmengesicht.« Hoftaller winkte ab: »Selbst wenn ner Neuauflage

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