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Ein weites Feld

Ein weites Feld

Titel: Ein weites Feld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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kommen zu wollen. Vernünftig wäre eine sofortige Überweisung nach Buch in die Anstalt. Ich weiß, ich weiß: Unser Patient wird sich weigern. Würde zu weiteren nervlichen Belastungen führen. Also verlassen wir uns auf häusliche Pflege und die bewährten Selbstheilkräfte unseres Kranken. Wird aber dauern diesmal. An Medikamenten das Übliche. Vor allem muß das Fieber runter …« Fonty lag ruhig, erschöpft. Doktor Zöberlein ging mitten im Satz von einem Patienten zum nächsten über: »Nehme an, daß es Mama Wuttke auf den Magen geschlagen ist, Kein Wunder, wenn sich der alte Herr solche Dinge leistet. Einfach abhauen. Kommt übrigens jetzt häufiger vor. Muß an der Zeit liegen …« Also schaute der Arzt nach Emmi, an deren Bett Inge Scherwinski saß und mit zweiter Stimme zum Gejammer der alten Frau beitrug. Natürlich hatte sie keine Unmenge Tabletten geschluckt – Magenauspumpen war Hoftallers Erfindung gewesen –, aber bettlägerig blieb sie doch, obgleich man ihren Wuttke zurückgebracht hatte. Hoftaller stand in der Küche rum, als werde er noch gebraucht. »Das wird schon wieder«, sagte Doktor Zöberlein und schrieb weitere Rezepte auf. Als ihm die Nachbarin Scherwinski mit Klagen über Rückenschmerzen kam – »Ich krieg mich nich grade mehr« –, riet er zu Gymnastik und Schuhen mit flachen Absätzen. Dann war Hoftaller dran. Der reagierte auf die Frage nach etwaigen Beschwerden ein wenig erschrocken, fing sich aber sogleich: »Tut mir leid, Doktor. Ein paar Gesunde gibt’s noch.« Dann ging der Arzt, nicht ohne Martha Grundmann zu versprechen, tags drauf nach den beiden Kranken zu schauen: »Verlaß mich auf Sie. Dürfen uns diesmal nicht schlappmachen. Versprochen?« Zwar fand Martha noch genügend Kraft, zur nächsten Apotheke zu laufen, aber nachdem sie Vater und Mutter mit fieberdrückenden, nervenberuhigenden und magenfreundlichen Medikamenten versorgt, Inge Scherwinski ein Päckchen Zigaretten zugesteckt und Hoftaller eine Flasche Bier auf den Küchentisch gestellt hatte, fühlte auch sie sich »etwas mulmig und angegriffen«. Mit Schweiß auf der Stirn und erstem fiebrigen Schuddern war sie wieder einmal ganz Vaters Tochter, das hieß bei ihr: »Bin mit den Nerven fix und fertig und eigentlich reif fürs Bett.« Als Hoftaller wissen wollte: »Wie lebt es sich denn so in Schwerin?«, gab sie zuerst nur pampige Antwort, »Möcht mal wissen, was Sie das angeht?«, dann aber nahm sie ihr schroffes Wesen ein wenig zurück: »Wie soll es sich da schon leben? Im Prinzip nicht schlechter als hier. Bin aber froh, daß ich ein paar Tage weg bin. Kann das Mecklenburgische schlecht ab, na, die kriegen entweder das Maul nicht auf, oder sie dröhnen. Aber hier herrscht ja auch nicht grade Jubel, Trubel, Heiterkeit. Genau. Erst liegt Mama flach und nun Vater. Und jetzt hat es womöglich mich erwischt. Muß mich unbedingt hinlegen. Würd es Ihnen was ausmachen, wenn Sie … Jedenfalls wär Vater Ihnen bestimmt dankbar … Nur ab und zu nach ihm gucken … Vielleicht morgen noch, bis ich wieder auffem Damm bin … Zu nix taugt man mehr … Die Wohnungsschlüssel? Na, inner zweiten Schublade links … Genau … Im Kühlschrank steht mehr Bier.« Der Kranke schlief. Emmi Wuttke war gleichfalls eingeschlafen. Und als bald darauf Martha Grundmann unter geschlossenen, doch immer wieder verschreckt zuckenden Augenlidern ein wenig Schlaf fand, sagte Inge Scherwinski: »Was für ne Familie! Wenn einer liegt, liegen jleich alle. Is ja man gut, daß Sie da sind und ein Auge drauf haben. Ich muß nämlich jetzt rüber, ehrlich, weil meine Jungs sonst alles auffen Kopp stelln …«
    Hoftaller saß in der Küche und holte sich, als die Flasche leer war, eine zweite, dabei sah er, daß Martha Grundmann ein halbes Dutzend Schultheiß kühlgestellt hatte. Man rechnete mit ihm. Er gehörte zur Familie. So still es hinter den Zimmertüren der Wohnung blieb, er war nicht einsam. Außer ihm gab es die Küchenuhr und den Fernsehapparat, der aber stumm zu sein hatte; das Ticken der Uhr, deren Zifferblatt aus Emaille war, sagte genug. Wie ruhig Emmi und Fonty schliefen, sogar Martha schien Schlaf gefunden zu haben, jedenfalls litt sie, falls sie nicht schlief, stumm vor sich hin und hörte auf ihre hellwachen Nerven. »Will nur paar Stunden abschalten, damit ich wieder auf Trab komm und Sie endlich abzischen können.« Das hatte sie gesagt, bevor sie sich in ihr Mädchenzimmer zurückzog. Und Hoftaller war mit der Antwort

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