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Ein wildes Herz

Ein wildes Herz

Titel: Ein wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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Country-Songs spielten, Lieder, gesungen im näselnden Timbre der Berge, begleitet von einer einsamen Fiedel und einem schwatzhaften Banjo.
    Auf der Landstraße fuhr Charlie schneller als je zuvor, bis sie um die Kurve bogen, und da stand ihr Haus, und sie war immer noch auf der Veranda, und selbst Sam sah ihrem Gesicht an, dass sie traurig war, als wäre gerade ihr Hund überfahren worden. Ein geblümter Hausmantel stand über ihren Knien offen, und obwohl es Dezember war, hatte sie bloße Füße, ein Mädchen von gerade mal einundzwanzig Jahren, ganz allein in seinem Kummer, doch Charlie fuhr an ihr vorbei, schaute, drehte den Kopf, fuhr etwa fünfzig Meter am Haus vorbei, und dann trat er voll auf die Bremse, was sowohl den Jungen als auch den Hund gegen das Armaturenbrett schleuderte. Der Ball rollte auf den Boden. Charlie hielt an, legte den Rückwärtsgang ein und fuhr ebenso schnell zurück wie er eben vorwärts gefahren war, und dann saß er einfach nur da, und die beiden, Charlie und Sylvan, starrten sich eine Minute lang an.
    Schließlich warf Charlie seine Lucky Strike aus dem offenen Fenster und wandte sich an Sam. »Ich bin in einer Minute zurück. Muss etwas erledigen. Sei ein braver Junge, Sam. Pass auf Jackie auf.« Er berührte den Jungen am Kopf,
schaute ihm tief in die Augen und gab ihm den zweiten Kuss, den er ihm je gegeben hatte, diesmal auf den Kopf. Dann war er auch schon ausgestiegen, durch das Tor gegangen und die Anhöhe hoch, und dabei brüllte er ihren Namen. Er ging schnell, mit gesenktem Kopf. Eine Hand hielt er hoch, aber Sam hätte nicht sagen können, ob er der Frau zuwinkte, deren Namen er rief, oder sich von ihm verabschiedete. Dann war er bei Sylvan angekommen, und sie standen da und blickten sich an, ohne ein Wort zu sagen, und dann drehte sie sich abrupt um, und er folgte ihr ins Haus.
    Im Radio sang Doc Watson: »Go with me, little Omie, and away we will go, we’ll go and get married and no one will know.« Dann hörte Sam das erste Geräusch, ihren Schrei, den ersten von sieben an diesem Nachmittag, und er stieg aus dem Pick-up, mit Jackie auf den Fersen, und lief in den Garten hoch, blieb vor dem Haus stehen und lauschte, versuchte festzustellen, woher die Geräusche kamen, zuerst aus dem Erdgeschoss und dann aus dem ersten Stock. Es waren schreckliche Geräusche, Charlie brüllte, und Sylvans Schreie waren wie Nadelstiche in seinem Gebrüll, und das Klirren von zerbrechendem Geschirr und Krachen von umgeworfenen Möbeln, ein furchterregender Lärm.
    Hatten sie nicht erst vor einer Minute miteinander gesungen, Charlie und Sam? Hatte sich Charlie nicht fröhlich im Kreis gedreht wie ein kleiner Junge und ihn auf den Kopf geküsst, wo sein Haar sich noch warm anfühlte?
    Das waren nicht die Geräusche, die sie sonst machten. Sam hatte Angst und dachte schon daran, die Treppe zur Veranda hochzusteigen und durch das Fenster zu schauen, aber er fürchtete sich zu sehr. Was da geschah, ging nur die beiden etwas an, und er wollte es nicht sehen, fürchtete sich zu sehr vor dem, was er vielleicht sehen würde.

    Jetzt waren sie auf dem Dachboden, das hörte er an den Geräuschen, und alles bebte und krachte und fiel um und ging zu Bruch. Und dann war es etwa zehn Minuten ganz still, kein Mucks war zu hören, dann kam jemand mit noch mehr Lärm die Treppe herunter, und Sam machte ein paar Schritte nach hinten, wich vor dem zurück, von dem er wusste, dass es auf ihn zukam, und er holte tief Luft, ein Zeuge, und er wollte kein Zeuge sein, wollte nicht wissen, was geschehen war. Sonst schon, sonst wollte er immer wissen, was vorging, wollte wissen, was die Dinge bedeuteten, den geheimen Grund dafür, dass es sie gab, doch vor dem hier wollte er nur weg, und er wollte auch nichts davon wissen, wollte sich nicht für den Rest seines Lebens daran erinnern müssen. Und dann trat wieder ein langes Schweigen ein, zehn, fünfzehn Minuten vielleicht, in denen nichts zu hören war außer Charlies bellenden, knappen Befehlen, und die waren sogar noch beängstigender.
    Doch es fing wieder an, die Schreie, ihr Name, der gebrüllt wurde, der Name, den Charlie an diesem Tag kein einziges Mal gesagt hatte, den er nur an jenem Tag vor Gericht einmal zu ihr gesagt hatte, und das so leise, dass niemand es hören konnte  – bis auf die Zwillinge, die es doch gehört und später erzählt hatten.
    Dann kam Sylvan aus der Tür, und Sam wusste, was los war.
    Sylvan kam aus der Tür, und auf ihrer Brust

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