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Ein wildes Herz

Ein wildes Herz

Titel: Ein wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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geführt wurde, und in Lexington waren es die Grossmans, die dafür sorgten, dass die Damen der Stadt immer modisch gekleidet waren. Boaty schaute dabei zu, wie Sylvan die Sachen anprobierte, und jedes Mal, wenn sie aus der Umkleidekabine kam, war er noch zufriedener mit sich selbst als zuvor. Sie hatte eine hübsche Figur, üppig und wohl gerundet, und die Grossmans schauten sie von Kopf bis Fuß an und brachten Kleidung und Accessoires herbei, die allesamt aussahen wie für sie gemacht. Es war für ihn ein komisches Gefühl, ihr zuzusehen und dann alles eilig zusammenpacken zu lassen, die Kleider und Kostüme und Hüte und Handschuhe, die sie laut den Grossmans unbedingt tragen sollte, um sie dann zu Hause damit auszustaffieren und den ganzen Tag mit ihr auf der Hauptstraße von Brownsburg spazieren zu gehen.
    In Arthur und Ginger Grossmans Händen wurde Sylvan
zu dem, wofür er all die Meilen auf den Landstraßen zurückgelegt hatte  – die Frau, die er in all den Salons in Staunton und Charlottesville vergeblich gesucht hatte, bei endlos vielen Tassen Tee in Gesellschaft herablassender Matronen, die ihn mit ihren harten, unerbittlichen Blicken peinigten und am Schluss doch nichts hatten, das er mit nach Hause nehmen konnte. Möglicherweise war sie auch nur ein Abklatsch dessen, was er gesucht hatte, doch eines war klar  – Boatys Geld machte aus ihr etwas, das ziemlich beeindruckend war.
    Sylvan hatte eine ganz natürliche Anmut: die Art, wie sie ging, die Art, wie sie sich das Haar hinter die Ohren schob oder sich über die Augenbraue strich. Und sie schien Boaty zu nehmen, wie er war  – seinen ausladenden Körper, der immer leicht nach Schweiß roch, sein Alter, wie hoch auch immer es sein mochte, was sie nicht wusste und offenbar auch nicht wissen wollte; solange er älter war als achtzehn, hätte er für sie ebenso gut hundert Lenze zählen können. Auf seine Art liebte er sie, aber er liebte auch seinen Wagen, ebenso wie er sein Geld und seine angebetete Mutter geliebt hatte, aber dieses Mädchen war nicht wie die zarte, hinfällige Frau, die ihn in die Welt gesetzt hatte. Dies hier war eine Frau aus Fleisch und Blut. Er hatte sie nackt gesehen. Den Mut, sich zu fragen, ob sie ihn denn auch liebte, brachte er nie auf.
    Manche Dinge musste er ihr beibringen, zum Beispiel, wie man Messer und Gabel richtig hielt, wie man die Serviette auf dem Schoß platzierte, aber das meiste davon musste er ihr nur ein einziges Mal sagen, denn sie war schnell von Begriff.
    Beim ersten Mal, als er sie in die Stadt mitnahm, am Sonntag zur Kirche, erregte sie viel Aufsehen. Die Leute verdrehten
sich die Hälse nach ihr. Sie war mit Abstand das hübscheste Mädchen in der Stadt, und im Vergleich zu ihr sahen die anderen Backfische irgendwie unfertig aus. Sylvan hatte Formen, wo die anderen noch mager waren, und natürlich war sie mit Boaty verheiratet, von dem jeder wusste, wie verzweifelt seine Brautschau gewesen war und wie desaströs sie geendet hatte. Genau wusste niemand, wer sie war, außer Alma, die früher manchmal nach Arnold’s Valley gefahren war, um den Kindern dort ein paar schlichte Dinge über den Lauf der Welt beizubringen. Alma wusste, dass sich das Mädchen nicht mehr an sie erinnerte, oder wenn, dann würde sie es leugnen, und so hatte Alma erst später, beim Abendessen, zu Will gesagt, sie wisse, woher sie komme, und der hatte sich scheckig gelacht. »Arnold’s Valley?« Er hatte den Gedanken zum Schreien komisch gefunden.
    Auch Will hatte es dann ein oder zwei Leuten erzählt, und das genügte, denn bis zum Ende der Woche wusste auch der Letzte in der Stadt, wer Sylvan war und woher und aus welcher Umgebung sie stammte. Und trotzdem. Trotzdem.
    Sie sprach nicht wie ein Mädchen vom Lande, das war das eine, das bemerkenswert war. Sie sprach auch nicht wie jemand aus Brownsburg, überhaupt nicht wie jemand aus dem County. Sie sprach wie jemand aus dem Radio, und natürlich hatte sie sich ihren Akzent auch genau von dort abgehört. Sie sprach wie Helen Trent.
    Es gefiel Boaty, sie vorzuführen, und so brachte er sie, als er das Gefühl hatte, Brownsburg gebührend beeindruckt zu haben, wieder nach Lexington, wo sie im Dutch Inn zu Abend aßen. Danach gingen sie ins Kino. Der Film, den sie damals sahen, kostete einen Vierteldollar Eintritt, doch damals wusste Boaty noch nicht  – wie sollte er auch?  –, dass
er ihn noch viel, viel mehr kosten würde. Das Kino kostete ihn seine Frau, denn

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