Ein wildes Herz
nicht die von ihr.«
»Das ist ziemlich hart.«
»Das Leben ist hart, oder nicht?«
Der Mann schaute durch das Fenster auf seine älteste Tochter, die sich im heißen Sonnenschein bemühte, auch die letzte Bohne am Strauch zu finden. Das weiße Hemd war schweißgetränkt, und ihr Haar ringelte sich feucht im Nacken. Boaty fand, sie war das Schönste, was er je gesehen hatte.
»Wann kann ich wiederkommen?«
Wieder gab es eine lange Pause. Zwei Männer in einer Küche, der Holzofen, der immer brannte, die verkrustete Tapete, die sich von der Wand schälte, der Whiskey, der klar und still im Krug stand, das Mädchen im Garten, die Jungen, die quengelten, weil sie ihr Mittagessen haben wollten, und das Baby, das gestillt werden musste. Ganze drei Minuten saß er da und wartete.
»Sonntag in einer Woche.«
»Wir verstehen uns. Sie haben begriffen, was ich gesagt habe?«
»Ich bin nicht blöd, Sir. Ich hab jedes Wort gehört. Und ich werde drüber nachdenken.«
»Sonntag in einer Woche?«
»Das habe ich gesagt, ja.«
»Ich bringe Bares mit.«
»Ich habe Sie gebeten zu gehen. Und zwar jetzt.«
Sie gaben sich ernst die Hand, wie zwei Männer auf einer Beerdigung. Boaty achtete darauf, sich die Hände erst an der Hose abzuwischen, als er im Auto saß und weggefahren war. Das Mädchen stand im Garten, mit vollem Korb, und schaute dem Cadillac hinterher, bis sich die Staubwolke über der Straße wieder gelegt hatte und statt des Zischens der Wagenräder auf der Straße wieder das laute Zirpen der Grillen und das Rauschen des Windes im Maisfeld zu hören
waren und der Staub von der Schotterpiste dem Mädchen in die Augen wehte.
Als er nach zwei Wochen zurückkehrte, stand das Mädchen auf der Veranda und trug ein altes Kleid, das sauber war und nach Sonne und frischer Nachtluft roch. Neben ihr stand ein Koffer, den sie, wie Boaty ihr erklärte, nicht benötigen würde. Bis auf den Vater hatte sich ihre gesamte Familie versammelt, stumm, im Festtagsgewand, als sei man auf dem Weg in die Kirche.
Drinnen saß der blonde Mann am Küchentisch. Er sah betrunken aus, der Krug vor ihm auf dem fettigen geblümten Plastiktischtuch war leer. Es sah so aus, als hätte er geweint, aber das war schwer zu sagen. Boaty legte ein Schriftstück vor ihn auf den Tisch, ein Papier, das Harrison Boatwright Glass das Recht zubilligte, das Mädchen zu heiraten, und ihm die Farm als Besitz überschrieb. Der Mann fragte nicht einmal, worum es sich bei dem Papier handelte. Er unterschrieb mit seinem vollen Namen.
Boaty holte das Geld heraus und zögerte. »Sie haben dem Mädchen klargemacht, dass das hier für immer ist? Weggelaufen wird nicht.«
»Das weiß sie.«
»Es steht in dem Vertrag, den Sie gerade unterzeichnet haben. Nur dass wir uns verstehen.«
»Wir verstehen uns. Sie weiß, worum es geht. Sie gehört Ihnen, Mister.«
Und dann, nachdem Boaty das Bargeld auf den Tisch gelegt hatte, reichte der Vater ihm, ohne es zu zählen, ihre Geburtsurkunde, vergilbt und fleckig, und fragte: »Wann krieg ich meinen Traktor?«
6. KAPITEL
A ls sie zum Viehgatter am Ende des mit Schlaglöchern übersäten Feldweges kamen, der zurück auf die Schotterstraße und dann auf die asphaltierte Landstraße in die Stadt führte, berührte Sylvan Boaty am Arm und sagte drei von den nur vier Wörtern, die sie an diesem Tag sagen würde: »Bitte halten Sie.« Sie sagte es mit sanfter Stimme und einem Akzent, der fremd und seltsam vornehm klang.
Als er angehalten hatte, drehte sie den Kopf und blickte durch die Staubwolke hindurch zu ihrer Familie, die sich auf der Veranda versammelt hatte. Der Vater stand neben seiner Frau, hielt ihre Hand, und beide sahen schüchtern und traurig aus. Um sie herum waren die Geschwister versammelt, ein Junge hatte bereits ein eigenes kleines Kind auf dem Arm. Alle schauten zu ihr. Sylvan hielt ihren Blicken ganze zwei Minuten stand, ohne sich zu rühren, als würde sie ein Photo knipsen, um es auf ewig in ihrer Erinnerung aufzubewahren. In der heißen Brise von der Straße lagen die blonden Härchen ihres Haarschopfes wie ein zartes Spinnennetz um ihren Kopf. Dann verstreute sich die Familie in alle Winde, die Kinder, um zu spielen, die Größeren, um ihren Pflichten im Haus oder auf dem Feld nachzugehen.
Nur der Vater stand noch alleine auf der Veranda, und das
Licht fiel auf die Tränen in seinen Augen, als er verzweifelt seinem Kind hinterherwinkte, das ihn verließ, und Sylvan winkte zurück, obwohl er das gar
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